DPA
18.06.2009
«Der typische Wessi sieht aus wie ein Ossi»
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18.06.2009
Leipzig (dpa) - Dieser Ossi-Wessi-Test hat zumindest bei Älteren eine fast hundertprozentige Erfolgsquote: Wer das Wort «Dostoprimetschatelnosti» kennt und im ersten Anlauf aussprechen kann, stammt aus dem Osten. Das Wort für «Sehenswürdigkeiten» ist eine der wenigen Vokabeln, die bei vielen Ostdeutschen aus dem jahrelangen DDR-Russischunterricht übrig geblieben sind. Weil das Wort so kompliziert ist, hat es kaum jemand vergessen. 20 Jahre nach dem Mauerfall sind die Unterschiede nicht mehr auf den ersten Blick sichtbar. Frisuren, Kleidung und Verhaltensweisen haben sich gerade bei Jüngeren angeglichen - aber im Detail gibt es noch Unterschiede.
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«Der typische Wessi sieht aus wie ein Ossi. Wir sehen alle gleich aus!», meint etwa der Berliner Satiriker Peter Ensikat. «Der Ossi musste nach 1989 ganz schnell lernen und wollte nicht mehr erkannt werden.» Das Motto laute nun «Ähnlich aussehen und anders denken», sagt der einstige Chef des Berliner Kabaretts «Distel».
Der Leipziger Modedesigner Andreas Trommler hat andere Erfahrungen gemacht. Am Bekleidungsstil lasse sich oft noch die Herkunft erkennen, sagt er. «Ich sehe es immer wieder, dass die Leute im Osten tütenweise bei den Bekleidungsketten einkaufen, aber Handwerk weniger schätzen», meint er. «Wessis» gäben viel mehr für maßgeschneiderte Bekleidung aus, da sie Qualität mehr würdigten. Als ein Ost- Spezifikum hat Trommler die Liebe zu Outdoor-Bekleidung ausgemacht. «Man kleidet sich hier gern praktisch», sagt der Modeschöpfer.
An den Frisuren erkenne man die Herkunft nicht mehr, meint die Leipziger Friseurinnungsobermeisterin Sylvia Reimann-Richter. Unterschiede im Haar-Look gebe es eher im deutschlandweiten Vergleich zwischen Großstädten und ländlichen Gegenden. Aber einen Ost-West- Unterschied gibt es ihrer Meinung nach: «Im Osten wird häufiger zum Friseur gegangen. Dafür geben die Kunden in den alten Bundesländern mehr für den einzelnen Friseurbesuch aus.»
Reinhold Sackmann, Soziologieprofessor an der Martin-Luther- Universität Halle, erkennt die einstigen DDR-Bürger an einer schriftlichen Floskel. «Die Anrede "Werte Damen und Herren" gibt es im Westen nicht», sagt der gebürtige Bayer, der seit fünf Jahren im Osten lebt. Viele Vorurteile über den Osten träfen aber nicht mehr zu. «Zum Beispiel ist die typische DDR- Dienstleistungsunfreundlichkeit nach dem Motto "Sie werden platziert!" am Verschwinden», sagt der Wissenschaftler.
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