Manfred Weber
09.03.2017
Hintergrund: Luxus-Philosophen – Ich berate, also bin ich!
Manfred Weber
09.03.2017
Wie eine klassische Philosophin kommt Sophie Chassat wirklich nicht daher. In makellosem blond und mit hoher, aber entschlossener Stimme, berät sie Pariser Luxus-Modemarken: “Oft geht es darum, die Probleme aus einem anderen Sichtwinkel zu sehen, um dann originelle Antworten zu finden“, sagte sie einmal.
Sie gehört zu einer ganzen Reihe von Pariser Philosophen, die Luxus-Unternehmen – möglichst diskret - voranbringen sollen. Platon, Nietzsche und Schopenhauer als willige Helfer beim Kleiderverkauf?
Sei es bei Chanel, Yves Saint Laurent, Hermès oder Lancôme - die Luxuslabel suchen eben dieses Fremde, das etwas andere Savoir-Faire der philosophischen Wissenschaft. „Zwischen dem Rationalen und dem Emotionalen vergessen die Marken oft die Glaubwürdigkeit“, schrieb Chassat ihren Kunden zuletzt in ihrem Blog ins Stammbuch.
Ihre Aufgabe bei der Werbeagentur „Angie“ ist es, die „verbale Identität“ ihrer Kunden zu finden. Das Wort-Kapital der Marke vorsichtig ausgraben. Ähnlich ging es Adrien Barrot (Hermès) oder dem verstorbenen Alain Etchegoyen, der Dutzende Luxusmarken beraten hatte.
Der Philosoph Gilles Lipvetsky – unter anderem bei Chanel und Yves Saint Laurent beratend - hat einen etwas anderen Ansatz: Eine elitäre Sprache könne den Wert einer Marke erhöhen. „Luxus ist jetzt vielschichtig“ , sagte er, „ein Teil ist für die meisten unerschwinglich, doch ein anderer Teil – Shirts, Lippenstifte, Schlüsselanhänger - kann sich fast jeder leisten.“
Die Luxus-Philosophen kämpfen quasi alle mit derselben Marotte der Werbeagenturen: abgegriffene Worte, Leerformeln wie „Innovation“, „einzigartig“, „Leidenschaft“, „DNS“, „Glück“, was man eben so in vielen Werbungen hört. „Die Leute wollen nicht nur ein Produkt kaufen, sie wollen einen Sinn darin sehen“, schrieb Chassat. Deshalb verpflichtete Lancôme speziell für das Lancement des Parfums „La vie est belle“ den Philosophen Vincent Cespedes. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, 2008, schaffte es das Elixir innerhalb von wenigen Monaten auf Rang vier der weltweit verkauften Wässerchen.
Tatsächlich kann man die Philosophie als eine Sprach-Disziplin sehen, die meistens nach dem richtigen, dem besten Wort sucht. Den Preis für den Dienst an diesem Ideal nennt niemand, aber es ist davon auszugehen, dass die Philosophen ihren Namen nicht für weniger als einige tausend Euro pro Eingreifen aufs Spiel setzen, schätzt „Le Monde“. Nur ein Philosoph meinte, die Kollegen befänden sich auf einer Einbahnstraße: für Olivier Assouley verkaufen seine Kollegen ihre Seele dem Teufel.
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