DPA
12.01.2015
Mindestlohn für Praktikanten umstritten - Hemmschuh oder überfällig?
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12.01.2015
Einen Fuß in die Tür bekommen beim Wunscharbeitgeber und erste Berufserfahrungen sammeln - vielen jungen Leuten gelingt das am besten über ein Betriebspraktikum. Unter bestimmten Voraussetzungen haben sie jetzt auch Anspruch auf den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde.
Wie stark sie letztlich davon profitieren werden, bleibt allerdings abzuwarten. Denn manche Unternehmen könnten angesichts höherer Kosten bei der Praktikumsvergabe künftig auf die Bremse treten.
Rund 600 000 Praktikanten, darunter auch viele Schüler, schnuppern nach Erhebungen des Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung jährlich in deutschen Unternehmen ins Berufsleben hinein - zur Dauer und Bezahlung gibt es bisher allerdings kaum belastbare Daten.
Vor allem Hochschulabsolventen, die nach dem Studienabschluss ein freiwilliges Praktikum absolvieren, gehören seit Jahresbeginn zu den Mindestlohn-Anwärtern. Pflichtpraktika dagegen sind von der Regelung ausgenommen.
Bei den größten deutschen Konzernen dürften Studienabschließer auch künftig noch gute Chancen haben. Auch wenn es mancherorts Zähneknirschen über die Mehrkosten gibt, wollen sie ihre Vergabepraxis im Großen und Ganzen beibehalten, wie auch eine «Spiegel»-Umfrage ergab.
«Wir werden unsere Praxis nicht ändern, weil wir der Meinung sind, dass das ein wichtiger Teil der beruflichen und akademischen Ausbildung ist», sagt beispielsweise ein Sprecher des Autobauers BMW. Von den jährlich rund 4000 Praktika bei dem weiß-blauen Autobauer dürfte rund die Hälfte künftig unter die Mindestlohn-Regelung fallen.
Auch die Allianz plant keine Einschränkungen. Rund 800 Euro bekommen Absolventen eines Pflichtpraktikums bei dem Münchner Versicherungsriesen, für ein freiwilliges Praktikum ist die Bezahlung angesichts des Mindestlohns fast doppelt so hoch.
Andere Unternehmen dagegen wollen schon gewisse Stellschrauben nutzen: Beim Sportartikel-Hersteller Adidas beispielsweise gilt zwar generell weiter die Regel, dass immer der beste Kandidat für eine Position ausgewählt wird, wie eine Unternehmenssprecherin hervorhebt - bei zwei gleichwertigen Bewerbern werde aber derjenige mit einem Pflichtpraktikum bevorzugt.
Vor diesen Konsequenzen der Neuregelung warnt auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). «Der gesetzliche Mindestlohn verteuert freiwillige Praktika, die allein dem Zweck dienen, die Beschäftigungsfähigkeit von Studierenden zu erhöhen», sagt Irene Seling, BDA-Expertin für berufliche Bildung. «Dies führt für Unternehmen zu neuen Belastungen und wird im Ergebnis weniger Praktikumsplätze bedeuten.» Man sei auch in Gesprächen mit der Hochschulrektorenkonferenz, dass Praktika verstärkt in Studienordnungen eingebunden werden. Allerdings müsse darauf geachtet werden, dass sich Studienzeiten dadurch nicht zu sehr verlängern.
Ein Thema dürfte das vor allem bei den geistes- und sozialwissenschaftlichen Studienfächern sein, die landläufig als weniger praxisnah gelten als beispielsweise Elektrotechnik oder Maschinenbau. So macht man sich beispielsweise an der Technischen Universität München keine Sorgen um mögliche Einschränkungen bei Praktika: «Dazu ist der Arbeitsmarkt viel zu gut. Die Studierenden gehen in der Regel nach der Ausbildung sofort in den Beruf», sagt ein TU-Sprecher.
Mehr Einschränkungen könnte es dagegen in Kreativ-Branchen geben. Aber auch kleine und mittlere Unternehmen, die nur wenig Kapazitäten zur Umsetzung des komplexen Regelwerkes haben, dürften künftig zurückhaltender werden, heißt es in Arbeitgeberkreisen.
Schon vor der Einführung des Mindestlohns hatten beispielsweise einzelne Werbeagenturen angekündigt, künftig auf Praktikanten ganz oder teilweise verzichten zu wollen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist trotzdem davon überzeugt, dass der Mindestlohn auch in diesen Branchen der richtige Weg ist. «Da werden Praktikanten an vielen Stellen als billige Arbeitskräfte eingesetzt», sagt DGB-Bundesjugendsekretär Florian Haggenmiller. Wie die Unternehmen die neuen Regeln umsetzen, bleibe vorerst abzuwarten. Seine Erkenntnisse will der Gewerkschaftsbund aber noch in diesem Jahr in einem «Schwarzbuch Praktikum» zusammenstellen.
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