Alberto Ojinaga (Desigual): Zusammenarbeit ist "ein wichtiges Wettbewerbs- und Differenzierungsinstrument"
Anlässlich der Gründung des neuen Start-up-Accelerators von Desigual, "Awesome Lab", sprach FashionNetwork.com mit dem CEO der spanischen Modemarke, Alberto Ojinaga. Dieser präsentierte die Strategie der katalanischen Marke und legte seinen Fahrplan vor. Ungeachtet der pandemiebedingten Schwierigkeiten des vergangenen Jahrs setzt Desigual auch weiterhin auf originelles Design, Image und Kommunikation. Seit zwei Jahren wird diese Ausrichtung durch kreative Collaborations gestärkt. Mit dem neuen Projekt gibt sich die Marke die Mittel an die Hand, um Synergien mit Start-ups in den Bereichen Innovation und Technologie einzugehen.
FashionNetwork.com: Wie entstand das Projekt eines Start-up-Accelerators?
Alberto Ojinaga: Einerseits haben wir unsere Vision der Innovation geändert, um uns einem kollaborativeren Ansatz zuzuwenden. Andererseits haben wir vor einiger Zeit eine strategische Überlegung angestoßen zu den Werten, die Desigual ausmachen. Kreativität und Innovation bilden die Grundlage unserer DNA und um diese charakteristischen Eigenschaften zu stärken, haben wir uns schrittweise einem offeneren Desigual-Konzept genähert. Unsere Welt ist immer stärker vernetzt und wenn wir uns ausschließlich auf unsere Geschichte und unsere Werte stützen, schränken wir unser Potenzial ein. Es ist uns bewusst, dass außerhalb von Desigual ein riesiger Kreativitäts- und Innovationspool besteht, auf den wir durch Zusammenarbeitsprojekte zugreifen können.
FNW: Welche Unternehmensprofile und Innovationsbereiche schweben Ihnen für dieses Projekt vor?
A.O.: Es handelt sich um einen vertikalen Accelerator in der Modebranche, der stark auf neue Technologien ausgerichtet ist. Intern haben wir unter Einbezug aller Abteilungen 10 Challenges ausgewählt. Diese betreffen hauptsächlich die Bereiche Kundenerfahrung, Umweltverantwortung, Zulieferkette, Datenanalyse und "Business Intelligence" sowie die Talentsuche.
Wir interessieren uns für Unternehmen aus aller Welt, es ist kein geschlossenes Format. Wir sind dabei, einen spezifischen Bereich in unseren Räumlichkeiten vorzubereiten, damit die Start-ups sowohl intern als auch extern an Mentoring- und Schulungsprogrammen teilnehmen können.
FNW: Ist das Begleitprogramm zeitlich begrenzt oder besteht die Möglichkeit eines langfristigen Engagements von Desigual für die teilnehmenden Start-ups?
A.O.: Es ist ein offenes Innovationsprogramm, das sechs bis neun Monate dauert. Nach Abschluss des Programms wird mit einigen Start-ups ein Proof of Concept durchgeführt. Wir wollen sie während des gesamten Prozesses mit Mentoringangeboten und "Demo Days"-Treffen unterstützen, um den Zugang zu Finanzierungen zu erleichtern. Je nach Ergebnis des Proof of Concepts ziehen wir in Betracht, selbst oder in Zusammenarbeit mit Plug and Play zu investieren.
FNW: Wie hoch ist der Betrag dieser Investition?
A.O.: Im letzten Jahr haben wir EUR 18 Millionen investiert, hauptsächlich in die Digitalisierung, die technologische Optimierung und die Entwicklung von Logistik-Plattformen. Die Investition, die wir für dieses Projekt bereitstellen – ungeachtet möglicher Investitionen in teilnehmende Start-ups – beläuft sich auf etwas weniger als eine Million Euro. In den kommenden drei Jahren wird Desigual zudem rund EUR 15 Millionen in einige Start-ups des Programms stecken.
FNW: Wieso ist Desigual die erste Modemarke in Spanien, die einen Accelerator gründet?
A.O.: Ich weiß es nicht. Uns schien das Projekt eine Selbstverständlichkeit. Es ist ein weiteres Element unseres anhaltenden Umwandlungsprozesses. Wir interessieren uns in erster Linie für Kreativität und Innovation und ich denke, dieses Vorhaben passt perfekt zu unserer Kultur der Offenheit. Damit können wir mit dem Geschehen in der Modebranche Schritt halten und mit anderen Unternehmen zusammenarbeiten.
Aus wirtschaftlicher Sicht verfolgen wir auch andere Ansätze, doch ist dieser die Hauptstütze unserer Strategie. Die Strategie konzentriert sich auch auf die Herstellung unverwechselbarer origineller Kleider sowie eine disruptive Kommunikation. Das dritte Standbein ist unsere internationale Öffnung, weshalb die Zusammenarbeit ein wichtiges Wettbewerbs- und Differenzierungsinstrument bildet.
FNW: In den vergangenen Monaten hat sich das Wachstum schrittweise erholt. Wie schneidet der Online-Store von Desigual ab, seit die physischen Läden wieder geöffnet sind?
A.O.: Im ersten Halbjahr 2021 stieg der Online-Umsatz von Desigual (eigener Store, Online-Händler und Flash Sales) gemessen an der Vergleichsperiode im Vorjahr um 42 Prozent. Der digitale Umsatz machte zum Geschäftsjahresabschluss 2020 28 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Im Mai 2021 lag dieser Wert bereits bei 36 Prozent.
Seit der massiven Wiederaufnahme der physischen Geschäftstätigkeit steigt der Webverkehr nicht mehr im selben Rahmen wie zum Höhepunkt der Pandemie, doch die Entwicklung bleibt sehr positiv.
FNW: Wie sehen Sie die Entwicklung der Unternehmensergebnisse in den vergangenen Monaten?
A.O.: 2020 haben wir viel Geld verloren. Bei der Präsentation der Ergebnisse setzten wir uns für 2021 eine Rückkehr zu einer stabilen Basis als Ziel. Die vierte Welle der Pandemie war schwieriger als wir ursprünglich dachten und fast die Hälfte unseres Vertriebsnetzes blieb in den fünf ersten Monaten des Jahres geschlossen. Dennoch halten wir am Ziel fest, das Gleichgewicht im laufenden Jahr wiederherzustellen. Nun erreicht uns die fünfte Welle zu einem für die Läden sehr heiklen Zeitpunkt: Während der Sommerschlussverkäufe.
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