DPA
09.10.2013
Am seidenen Faden: Kambodscha ringt um Tradition der Weberinnen
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09.10.2013
Phnom Penh - Klack klack klack: Behutsam, aber in rasantem Tempo, tritt Kim Srun Chhout in die Holzpedale ihres Webstuhls. Fast im Sekundentakt schießt der blaue Faden, aufgewickelt auf einer Garnspule, hin und her, durch eine Öffnung von aufgespannten Kettfäden. Langsam wächst aus dem scheinbaren Durcheinander ein edles, glänzendes Stück Stoff: Seide.
Die 28-Jährige sitzt an ihrem Arbeitsplatz, 15 Kilometer nördlich der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh auf einer Insel im Fluss Mekong. Lehmfarbene Erde, weite Felder, ab und zu knattert ein Moped vorbei - anders als in der nahen Millionenstadt geht das Leben hier beschaulich zu. Viele der Holzhäuser sind auf Stelzen gebaut, davor grasen Kühe, Kinder spielen Fangen, Menschen schälen Maiskolben. Weil viele Familien Webstühle haben, wird die Insel auch Seideninsel genannt. Wie Kim Srun Chhout weben hier viele Frauen seit Generationen den feinen Stoff.
Doch was ihren Eltern und Großeltern einst den Unterhalt sicherte, reicht heute kaum zum Leben. «Früher war es einfacher, damit Geld zu machen», sagt Kim Srun Chhout. Sie weiß nicht, ob die Kinder das Geschäft eines Tages übernehmen sollen.
Die Konkurrenz sitzt in den Nachbarländern. Dort wird Seidengarn maschinell und oft in besserer Qualität hergestellt. Inzwischen kostet ein Kilogramm importiertes Garn in Kambodscha umgerechnet 35 bis 45 Euro, je nach Qualität sogar mehr - doppelt so viel wie noch Ende der 90er Jahre, so die Handwerkskooperative CCC.
Doch die Weberinnen können keine höhere Preise für ihre Seide durchsetzen. Damit sinkt die Gewinnspanne. Und wenn sie versuchen, die Preise anzuheben, bleiben die Kunden aus. «Steigen die Preise für Benzin oder Brot, kauft man das trotzdem, weil das notwendig ist. Aber Seide ist ein Luxusprodukt und keine Notwendigkeit - im Zweifel
verzichtet man also einfach darauf», sagt Mey Kalyan, ein Berater im Agrarministerium, der die Tradition wieder beleben will.
Kim Srun Chhout und die meisten rund 20 000 Weberinnen im Land können kaum noch nur vom Seidengeschäft leben. Viele suchen sich andere Jobs, die mehr Geld bringen. Kambodschas Jahrtausende alte Tradition hängt buchstäblich am seidenen Faden. «Wir müssen das Geschäft wieder profitabel machen, damit die Menschen davon leben
können», sagt Mey Kalyan. «Es geht ja nicht um Nostalgie, es geht um den Lebensunterhalt. Die Frauen müssen in Würde davon leben können.»
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