DPA
09.06.2016
Aus Alt mach Geld: Das große Geschäft mit gebrauchter Kleidung
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09.06.2016
Die Hose sitzt nicht mehr richtig, das T-Shirt ist ausgeblichen, die rosa Bluse ein totaler Fehlkauf. Also: weg damit und Platz im Schrank schaffen. Rund eine Million Tonnen Altkleider kommen jährlich zusammen, die überwiegende Menge wird in Sammelcontainer geworfen. Das in der Regel mit bester Absicht: Die nicht mehr gewollten Hemden und Pullis sollen Bedürftigen zugute kommen. Mit der Spendenfreude der Deutschen wird jedoch seit Jahren ordentlich Geld gemacht - auch die Kommunen mischen in dem Geschäft mit. Altkleider sind ein begehrter Stoff.
«Angesichts der Mengen an gebrauchten Textilien ist es zunächst mal unrealistisch anzunehmen, dass alle Spenden an Bedürftige weitergegeben werden können», sagt Thomas Ahlmann, Sprecher des Verbandes Fairwertung, in dem sich gemeinnützige Altkleidersammler zusammengeschlossen haben. «Die Spenden übersteigen den Bedarf in Deutschland um ein Vielfaches - auch wenn man die Flüchtlingshilfe mit einbezieht.»
Gemeinnützige als auch gewerbliche Sammler verkaufen die Altkleider in der Regel ungeöffnet an Textilsortierbetriebe. Gemeinnützige Organisationen wiederum steckten die Erlöse in ihre soziale Arbeit, sagt Ahlmann. So gibt das Deutsche Rote Kreuz etwa an, 2013 allein 13,5 Millionen Euro durch den Verkauf gebrauchter Kleidung erzielt zu haben. Das Geld sei unter anderem in die Altenhilfe oder den Katastrophenschutz geflossen.
«Alles in allem werden etwa 90 Prozent einer Sammlung stofflich verwertet», erklärt Ahlmann. Knapp die Hälfte der Kleidung verkauften gewerbliche Sortierbetriebe nach Osteuropa und Afrika. Ein geringer Anteil gehe direkt an Secondhand-Läden. Auch nicht mehr tragbare Klamotten fänden zahlende Abnehmer wie etwa Putzlappenschneidereien.
Marktkenner schätzen, dass in Deutschland insgesamt etwa 600 bis 800 Millionen Euro Umsatz pro Jahr mit gebrauchten Textilien gemacht werden. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat den jährlichen Gewinn pro Altkleidercontainer vor einigen Jahren auf lukrative 5.000 Euro beziffert. In der Branche gilt diese Summe aber heute als unrealistisch. Unter dem Strich blieben 1.000 bis höchstens 2.000 Euro übrig, heißt es.
Um Stücke von diesem Kuchen wird hart gekämpft. In Städten und Gemeinden tauchen seit Jahren an Straßenecken oder auf Parkplätzen immer wieder illegal aufgestellte Kleidercontainer auf - versehen mit dem Aufruf zur Spende für Menschen in Not. Die Besitzer sind selten ausfindig zu machen. «Wir schätzen, dass es bundesweit über 10.000 nicht genehmigte Container gibt», sagt Ahlmann.
Dubiose Firmen gingen nicht nur ohne die nötige Sondernutzungserlaubnis der Straßenbehörden ans Werk, erklärt der Berliner Rechtsanwalt Frank Wenzel, Spezialist für Abfallrecht. Die Aufsteller zeigten ihre Sammlung auch nicht bei der zuständigen Abfallbehörde an, noch könnten sie nachweisen, dass sie die Textilien ordnungsgemäß und schadlos verwerten.
Den Behörden bereiten diese schwarzen Schafe eine Menge Arbeit. Im Berliner Bezirk Mitte wurden allein im vergangenen Jahr 65 unerlaubt aufgestellte Container durch eine beauftragte Firma geräumt. Der Bezirk Lichtenberg hat in den vergangenen vier Jahren mehr als 200 Behälter entfernt und 107 Verfahren wegen illegal aufgestellter Container eingeleitet.
Die Besitzer dieser Container fechten die Ordnungsverfügungen der Kommunen nicht selten vor Gericht an. Wenzel schätzt die Zahl der zuletzt laufenden Prozesse zwischen privaten Entsorgern und Behörden auf etwa 100. In vielen Fällen sind die Antragsteller den Richtern bekannt, da sie bereits mehrfach gegen Straßenrecht verstoßen haben und die korrekte Verwertung der Kleidung nicht nachweisen konnten.
Auch die Kommunen sehen in den Textilien seit ein paar Jahren eine zusätzliche Einnahmequelle. Einige Städte und Gemeinden haben teils eigene Sammelsysteme aufgebaut. «Das Geschäft ist trotz der gesunkenen Preise attraktiv», sagt der Vizepräsident des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), Patrick Hasenkamp. Die Erlöse aus der Vermarktung der Altkleider kämen den Bürgern zugute. «Sie werden genutzt, um die Gebühren zu stabilisieren.» Wer selbst sammele, könne zudem das Stadtbild ansprechender und einheitlicher gestalten.
Andere Kommunen lassen sich die Container-Stellplätze bezahlen, indem sie etwa Konzessionen vergeben. Gemeinnützige und gewerbliche Sammler müssen sich dafür an Ausschreibungen beteiligen. Entschieden wird auch im Losverfahren, teilweise allerdings ohne genaue Prüfung der Bewerber. Wir fordern die Kommunen immer wieder auf, die Eignung der Bieter genau zu prüfen», sagt Hasenkamp. Unseriöse Firmen, die die korrekte Verwertung der Kleidung nicht nachweisen können, dürften nicht zum Zuge kommen.
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