Balenciaga: Prunkvoll und LED-gesteuert
Nur selten trumpfte eine Modeschau mit einem so beeindruckenden Set auf: Der Künstler Jon Rafman, dem Kreativdirektor Demna Gvasalia an der Art Basel begegnete, schuf einen überwältigenden digitalen Vortex.

Als die 400 Gäste eine rechteckige Röhre betraten, die auf 2000 m² mit gekrümmten LED-Bildschirmen ausgekleidet war, tauchten sie in einen atemberaubenden visuellen Strudel ein. Vor der Show wurden beeindruckende Bilder von Regentropfen auf Fenstergläsern gezeigt, die dann in vulkanische Moraste ausbrachen, in aufgewühlte Wogen, Feuerbälle, schmelzende Zelluloidstreifen und kurz vor dem Beginn in digitale Konfettis übergingen.
Obwohl draußen die Sonne schien, war es drinnen merklich kühl, da die Klimaanlage sehr tief eingestellt wurde, um ein Überhitzen der LEDs zu verhindern.
Natürlich wäre all dies vor einer prosaischen Kollektion sinnentleert gewesen. Doch zeigte Demna Gvasalia im nördlichen Vorort Saint Denis seine wahrscheinlich kohärenteste und glamouröseste Kollektion für das Modehaus.
Die Stoßrichtung wurde bereits vom Eröffnungslook vorgegeben, einem perfekt geschnittenen Nadelstreifenkleid, das an der Taille wie eine Schachfigur zusammengezurrt und mit flachen, rechtwinkligen Schultern abgerundet wurde. Diese Silhouette zeigte Gvasalia in glattem Leder, graublauer Wolle und tiefblauem Funktionsvelours. Bei Balenciaga wird sich immer alles um das Volumen drehen und auch in dieser Kollektion spielte der Kreativdesigner mit bemerkenswerten Formen. Vielen wurde der Markenname auf schwarz-weißen Etiketten an der Schulter angehängt.
"Ich nenne es Neo oder New Tailoring in der Anfertigung von Kleidern. Feste, steife und eckige Schultern. Wie kleine Sofas, auf die man sich setzen möchte", strahlte der Designer aus Georgien.
Da es sich um eine Co-ed-Show handelte, sandte er auch bei den Männern ein "Casting Sauvage" mit Models aus Korea, Deutschland, Frankreich und sogar Schottland auf den Laufsteg.
Dass er mehrere Outfits in Mao-Form zeigte, erstaunt, wenn man bedenkt, dass er seine Heimat aufgrund irredentistischer Kommunisten verlassen musste. Doch verlieh er diesen Entwürfen eine neue, fließende Struktur. Außerdem verwendete er fließende Veloursstoffe in zahlreichen weiten Hosen und Jacken. Andere Looks erinnerten an die überdimensionierte Raglan-Ärmel der 60er Jahre, und in einem neuen Herrenanzug verzichtete er auf das Hemd, da es in eine Jacke umgewandelt wurde.

"Keine Schulterpolster oder Epaulettes. Damit fallen die Zwänge klassischer Anzüge weg. Ich möchte eine neue Generation einkleiden und sie dazu bringen, wieder Maßanzüge zu tragen. So fühlt sich dieser Entwurf wie ein Jogginganzug an und ist zugänglicher, nicht wie Bond Street- und Savile Row-Anzüge. Das ist für mich ganz wichtig", erklärte der Designer.
Eine bemerkenswerte Kollektion und eine großartige Show, in der Rafman und Gvasalia zusammen eine "digitale Filmkulisse" schufen. Gemeinsam, im Austausch, mit Brainstormings, wobei die Mode eine neue Vision der Kunst und des digitalen Simulakrums mitgestaltete.
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