DPA
24.03.2017
Der Kampf ums Handgelenk hat gerade erst begonnen
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24.03.2017
Computer-Uhren wurden erst als das nächste große Ding nach dem Smartphone gefeiert. Und dann als Flop abgestempelt, nachdem die Verkäufe der ersten Modelle sich in Grenzen hielten. Die Wahrheit liegt wie so oft irgendwo dazwischen. Die klassische Uhr ließ sich nicht so leicht durch einen Computer vom Handgelenk verdrängen wie mancher es prophezeit hat. Doch genauso sind Smartwatches weit davon entfernt, zur Sackgasse der Computer-Evolution zu werden.

Das liegt allein schon daran, dass die beiden großen Tech-Player in dem Bereich – Apple mit seiner Watch und Google mit der für alle Hersteller offenen Plattform Android Wear – ein Gerät am Handgelenk als gute Schnittstelle für ihre Assistenten ausgemacht haben.
"Wir sehen großes Potenzial, wie der Assistant hier wirklich nützlich sein kann – wenn er im richtigen Moment auf dem Handgelenk "anklopft" und sagt: hier ist die Information", sagt Android-Wear-Produktmanager David Singleton. Und es sei ein natürlicher Platz für ein Mikrofon, um sich mit dem Assistenten zu unterhalten.
Die Apple Watch ist seit dem Start im Frühjahr 2015 der klare Marktführer bei Computer-Uhren. Doch Google schaut nach vorn und will Android Wear – ähnlich wie die Smartphone-Version des Systems – als bevorzugte Plattform für die der große Masse der anderen Hersteller etablieren.
Doch die Smartwatch-Pioniere aus der Tech-Industrie tun sich in dem Marktsegment schwer. So stieg der einstige Google-Partner Motorola zum Beispiel schon wieder aus. Die Uhren-Hersteller hingegen sind empfänglich für die Google-Avancen. Mit TAG Heuer, Montblanc oder Movado setzen auch große Namen der Branche auf Android Wear, zumindest wenn sie vorsichtig das Terrain mit einzelnen Modellen erkunden.
In den Hallen der weltgrößten Uhrenmesse, auf den "Ständen", die eigentlich eher Mini-Versionen von Nobel-Boutiquen ähneln, stehen vernetzte Uhren allerdings noch selten im Mittelpunkt. TAG Heuer ist eine der Ausnahmen und die zweite Version seines Modells Connected dominiert die Präsentation. Firmenchef Jean-Claude Biver versucht, smarte und klassische Uhren im Leben seiner Kunden unterzubringen: Die Modular 45 gibt es ab 1.400 Euro – für noch einmal so viel bekommt man auch eine mechanische Version, die man wechseln kann.
Biver ist eine legendäre Figur in der Branche, ein Poet der Uhrmacher-Kunst, der zugleich bei öffentlichen Auftritten mit seinen lauten Lachern auch kalkuliert durchgeknallt wirken kann. "Der Schweizer Uhrenindustrie können Smartwatches gefährlich werden. Der Kunst der Uhrmachers nicht", sagt er. "Menschen wollen Emotionen am Handgelenk."
Wenige Minuten vorher hatte Biver eine von Ferrari entworfene Uhr mit Schweizer Laufwerk der Firma Hublot präsentiert, die er als Spartenchef des Luxus-Riesen LVMH beaufsichtigt. Von dem Modell wird es nur 70 Exemplare geben – eine Uhr für jedes Jahr, das es Ferrari gibt.
Was aber, wenn die Technologie die Gewohnheiten der Menschen so verändert, dass sie gar keinen Wert mehr auf Uhrmacher-Kunst legen? Die Frage trifft bei Biver einen Nerv: "Dann ist der Mensch ein Roboter", ruft er. "Dann ist ein Mensch kein Mensch mehr, wenn er keine Emotionen mehr hat, wenn er keine Seele mehr will."
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