Florent Gilles
02.07.2013
Die Luxusindustrie in der französischen Wirtschaft
Florent Gilles
02.07.2013
Welches Gewicht hat die Designermodebranche? Dieser Frage ging eine vom französischen Couture-Verband beim französischen Modeinstitut IFM in Auftrag gegebene Studie nach, die kurz vor der Haute-Couture-Woche in Paris veröffentlicht wurde. Ziel der Studie war es, die gegenwärtige Situation der Branche in Zahlen zu fassen und die Tugenden der französischen Designermodeindustrie zu erfassen. In anderen Worten, den Nutzen des Luxus‘ zu belegen, auf den ersten Blick eine paradoxe Aufgabe…
„Wir möchten eine Nachricht an die Regierung richten“, erklärt der Präsident des Verbands. Dieser hat rund 100 Mitglieder, darunter die größten französischen Luxusmarken. Er ist der Ansicht, dass die Regierung „den Luxus tendenziell mit Haute Couture gleichsetzen. Es ist ihnen gar nicht bewusst, dass die großen Designer oft auch die wichtigsten Exporteure von Prêt-à-porter sind. „Es sind aber genau die Unternehmen in unserem Sektor, die die französische Industrie am Leben erhalten und ungeachtet der schwierigen Wirtschaftslage weiterhin Arbeitsplätze schaffen“. Die Branchenvertreter scheinen also grundsätzlich darauf hinweisen zu wollen, dass hinter den Pailletten und roten Teppichen ein wahrer Wachstumsvektor steckt.
Um diese Message zu untermauern, haben sich der Verband und das IMF auf eine repräsentative Stichprobe von dreißig Unternehmen gestützt. Sie sind alle Teil des Verbands und erwirtschaften gemeinsam rund 94 % des Gesamtumsatzes aller Mitglieder. Insgesamt haben sich rund hundert Unternehmen dem Dachverband angeschlossen, die meisten stecken jedoch wirtschaftlich noch in den Kinderschuhen.
Die großen Luxushäuser unterstützen die Initiative und haben sich ausnahmsweise bereit erklärt, für die Studie Details zu ihren Umsatzzahlen bekannt zu geben. Gemeinsam erwirtschaften die 30 Unternehmen einen Umsatz in Höhe von 15 Milliarden Euro, und beschäftigen knapp 35 000 Personen in der ganzen Welt. Für die Zwecke der Studie wurde die Sparte Parfums ausgeklammert. Untersucht wurden ausschließlich die kreative und Luxus-Mode, jedoch in allen Produktsegmenten.
87% Umsatz im Export
Japan steht noch vor China an der Spitze der Abnehmer der befragten Marken. Die Aufteilung nach Tätigkeitsgebiet zeigt wie erwartet die Übermacht der asiatischen Länder (46 % des Absatzes, für alle Märkte), und ein annäherndes Gleichgewicht zwischen Europa (ohne Frankreich) und dem amerikanischen Kontinenten mit jeweils 17 %.
Auswirkungen auf die europäische Tätigkeit
Die Luxus- und Designerbranche setzt größtenteils von A bis Z auf die französische und europäische Produktionskette. Dies im Gegensatz zu den anderen Branchen in der Textilindustrie, die ihre Produktion meist viel weiter entfernt ausführen lässt. „Wenn man die Anzahl der geschaffenen Arbeitsplätze durch die Beträge der Produktionsverträge (Verarbeiter, Subunternehmer) errechnet, kommt man zum Schluss, dass mindestens 41 % der Arbeitsplätze in der Bekleidungsbranche mit den Bestellungen der Designermarken verbunden sind“. So können das gefährdete Know-how und die entsprechenden regionalen Arbeitsplätze erhalten bleiben.
Vielfältige Aktivitäten
Der Anteil der Lederwaren und textilfremden Accessoires am Umsatz der befragten Unternehmen scheint mit steigender Größe des Unternehmens zuzunehmen. Ein Unternehmen mit über einer Milliarde Euro Umsatz erzielt 65 % dieses Betrags mit Lederwaren, wohingegen ein Unternehmen mit weniger als 100 Millionen Euro Umsatz lediglich 20 % mit Lederwaren umsetzt. Auf Damen- und Männermode sowie Accessoires entfallen nicht weniger als 4 Milliarden Euro pro Jahr, d. h. 25 % des Gesamtumsatzes des Markenpaneels (siehe weiter unten).
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Lederwaren weit vor allen anderen Produktkategorien zu liegen kommen, und diese Aktivität in erster Linie europäischen Ateliers zugute kommt: 67 % der Produktion wird in Europa hergestellt. Besser noch: Aus der Studie geht hervor, dass die Prêt-à-porter-Mode der Designer zu 48 % in Frankreich und zu 44 % in Europa beschafft und produziert wird, und nur zu 8 % außerhalb Europa hergestellt wird.
Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, setzten sich das IFM und der Verband dafür ein, den Begriff „Luxus“ zu vermeiden. Er wird denn im ganzen Dokument auch nicht erwähnt, und durch den weiter gefassten und weniger oberflächlichen Begriff „Kreation“ ersetzt. Diese lexikalische Vorsichtsmaßnahme spricht denn auch Bände über die Beweggründe für diese Studie, die das Tabu, das in Krisenzeiten auf der Designerindustrie liegt, durch konkrete Zahlen aufzuheben versucht.
„Bei jedem Regierungswechsel stehen wir vor demselben Problem“, erklärt Didier Grumbach. Und fügt spitzzüngig hinzu: „Und die Regierungsspitze wechselt leider noch häufiger als die Art Director der Luxushäuser“. Eine Information, die das IFM noch nicht untersucht hat!
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