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Dior Cruise Show: Eine moderne Frida Kahlo in Mexiko-Stadt
Die Dior-Show war in der vergangenen Woche das heißeste Gesprächsthema in Mexiko-Stadt. Alle versuchten, den genauen Veranstaltungsort für die am 20. Mai geplante Show zu erraten. Der Palacio de Bellas Artes, ein majestätisches und symbolträchtiges Herrenhaus im historischen Stadtkern, wurde dabei oft zitiert. Doch Dior hat sich für das geschichtsträchtige und diskretere Colegio de San IIdefonso entschieden, das sich nur wenige Straßen vom teils chaotischen Treiben im Stadtzentrum entfernt befindet.
Ein sehr symbolischer Ort, denn in diesem ehemaligen Schulgebäude aus dem 16. Jahrhundert, lernte Frida Kahlo im Alter von nur 18 Jahren Diego Rivera kennen. Und hier entstand der mexikanische Realismus, den Maria Grazia Chiuri in den Büchern stets bewunderte.
Die Designerin ist seit vielen Jahren von Mexiko fasziniert, sie bezeichnet das Land als "Ort der Seele". Im vergangenen Herbst eröffnete sich durch die Frida Kahlo-Ausstellung im Pariser Galliera-Museum die Möglichkeit, eine Show in Mexiko zu organisieren. An diesem Anlass entdeckte sie die Garderobe der mexikanischen Künstlerin, die 50 Jahre lang unter Verschluss aufbewahrt worden war. Maria Grazia Chiuri war fasziniert: "Es ist unglaublich, was für eine Vorreiterin sie war in allen Themen, die uns heute beschäftigen. Sie ist eine symbolische Künstlerin. Die bedeutendste weibliche Künstlerin in aller Welt", so die Designerin.
In Mexiko-Stadt führte das Haus Dior die Besucher an der Veranstaltung auf eine Reise auf den Spuren der Künstlerin. Das Abendessen im Museum Anahuacalli Diego Rivera "wo Frida und Diego hätten ruhen wollen", wie man im Verlauf der Ausstellung erfährt, war ein treffendes Beispiel dafür.
Eine unvergessliche Show
Die Vorfreude auf die mit Spannung erwartete Veranstaltung konnte auch durch den heftigen Regen nicht getrübt werden. Obwohl er der Show einen gewaltigen Strich durch die Rechnung hätte machen können, denn ursprünglich war die Show unter freiem Himmel angelegt, im Innenhof des ehrwürdigen Gebäudes. Doch den Teams von Bureau Betak vollzogen in letzter Minute eine Kraftleistung und sie verlegten das Set in das Innere des ehemaligen Kolonialgebäudes, während die Gäste bereits langsam eintrudelten. Die Aufteilung auf mehrere Stockwerke erschwerte es, einen Blick auf alle Berühmtheiten zu erhaschen, darunter Stars wie Naomi Watts, Alicia Keys, Laetitia Casta und Amira Casar. Auch mexikanische VIPs wie Karla Souza, Yalitza Aparicio und Belinda waren im Publikum.
Zum Auftakt der Show ertönte ein Soundtrack mit Liebesliedern. Zum Song Te Mereces un amor von Vivir Quintana erschienen Models unterschiedlichster Herkunft. Mit Flechtfrisuren und markanten Augenbrauen erinnerten sie flüchtig an moderne Versionen von Frida Kahlo. Im Nacken trugen sie filigrane schmetterlingsförmige Schmuckstücke.
Schmetterlinge waren omnipräsent, ja, auf jeder Silhouette anzutreffen. Ein starkes Symbol, hier als markante Halskette auf einer monochromen Bluse, da als zierliche Stickerei auf einem Kleidungsstück, auf großen Metallgürteln oder majestätischen Drucken. Nachtfalter, erwachten auf Silhouetten zum Leben, nach einer Skizze von André Brossin de Méré aus den Archiven des Hauses Dior. "Schmetterlinge sind auch auf dem Toile-de-Jouy-Stoff abgebildet, der die Flora und Fauna Mexikos darstellt, neben Papageien, Affen und Strelitzien. Diese Symbole erhellen auch die Gemälde von Frida Kahlo", war dem Begleitheft zur Kollektion zu entnehmen.
Maria Grazia Chiuri entwarf für diese Cruise Collection weibliche Silhouetten, die die Grenzen zwischen Menswear und Womenswear durchbrechen. Darunter eine Reihe tadellos geschnittener Anzüge mit Fliege, in Schwarz oder Weiß. "Dreiteiler, wie sie Frida ab ihrem 19. Lebensjahr trug, ein Eindringen in die Herrengarderobe, wodurch sie in erster Linie ihre intellektuelle Unabhängigkeit einforderte".
Zart bestickte zierliche Kleider wichen Looks, die durch Spitze und Samt bestimmt wurden. Majestätische Röcke wurden plissiert und schienen sich wie Blütenkronen zu öffnen. Sie wurden in Kombination mit beeindruckenden schwarzen Lederstiefeln getragen. Die anfänglich dominierende Farbkombination Schwarz-Weiß wurde nach und nach durch Farben verdrängt, allen voran durch tiefrosafarbende Kleider, wie sie Frida Kahlo gerne in ihren Selbstporträts trug. Dazu Silhouetten in den Farben Mexikos, Rot, Grün und mit traditionellen Stickereien, aber auch in verblüffender moderner Form.
Für eine mexikanische Note arbeitete Maria Grazia Chiuri mit den besten Kunsthandwerkern des Landes zusammen: Sticker, Weber und Schmuckdesigner arbeiteten an der Kollektion mit und brachten ihr einzigartiges Know-how ein. Denn das Kunsthandwerk und dessen Weiterbestand liegt Maria Grazia Chiuri am Herzen: "Wir müssen das Kunsthandwerk nicht nur bewahren, sondern auch eine Vision für dessen Zukunft schaffen, denn wir laufen Gefahr, dass die neue Generation kein Interesse daran hat. Das ist es, was wir bei Dior seit 2016 tun: Wir unterstützen Kunsthandwerker durch Bildung und Schulungen und machen den Menschen den Wert solcher Fähigkeiten bewusst", sagte sie vor der Show.
Eine Performance von Elina Chauvet
Auch der Feminismus hat für die Designerin einen großen Stellenwert und durfte auch bei dieser Cruise Collection nicht fehlen. Die Kreativdirektorin bat die feministische mexikanische Künstlerin Elina Chauvet, eine besondere Installation für die Veranstaltung vorzubereiten. Die multidisziplinäre Künstlerin ist für ihre spezifische Ästhetik bekannt, die durch ein zentrales Leitthema geprägt wird: Sichtbar zu machen, was nicht da ist, die Stille, die das Verschwinden zahlreicher Frauen in ihrem Bundesstaat Chihuaha umgibt. Es handelt sich eine der Regionen Mexikos, in denen Femizide am weitesten verbreitet sind. Für das Werk Zapatos Rojos (2009) legte die Künstlerin in den Straßen und Plätzen wichtiger Städte in Mexiko, Mittelamerika, Südamerika und Europa rote Schuhe aus, die an die Körper ihrer verschwundenen Besitzerinnen erinnern. Die Installation wurde zu jener Zeit in Europa von Maria Grazia selbst sehr wohlwollend aufgenommen.
Ab 2012 begann Elina Chauvet, mit rotem Faden Wörter auf ein weißes Kleid aufzusticken, um die Arbeit der jung und unter brutalen Umständen gestorbenen Künstlerin Pippa Bacca zu symbolisieren. Auf zwanzig weißen Leinwänden aus dem Dior-Archiv stickten Elina und sechzehn weitere Stickerinnen im Projekt A Corazón abierto ihre Wörter auf, die vor dem Finale präsentiert wurden.
Elina Chauvets Performance ging unter die Haut. Im Hintergrund ertönte der Song Canción sin miedo von Vivir Quintana, der an die Femizide erinnert und Frauen dazu aufruft, sich zu wehren und Gerechtigkeit zu fordern. Eine packende Melodie, die die Gäste ergriff und zum Finale dieser unvergesslichen Show aufbauten. Sowohl die Botschaft des Hauses als auch die sehr attraktive und moderne Kollektion prägten sich in das Gedächtnis des Publikums ein. Nur Maria Grazia Chiuri kann es gelingen, einen so bedeutenden Schwerpunkt auf altüberliefertes Know-how zu legen und dabei eine innovative Kollektion und eine grandiose modische Veranstaltung zu bieten.
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