Fashion for Good untersucht das Potenzial wiederverwendbarer Textilien in Europa
Laut einer sechzehnmonatigen Studie in sechs europäischen Ländern bestehen 74 % bzw. 494 000 Tonnen der gesammelten geringwertigen oder nicht wiederverwendbaren Post-Consumer-Textilien aus Fasern, die sich für das Recycling eignen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Sorting for Circularity Europe" der Organisation Fashion for Good, in der die Art der verfügbaren Post-Consumer-Fasern und die industrielle Infrastruktur, die für ihre Verarbeitung entwickelt werden muss, untersucht wurden.

Die Studie wurde in Belgien, Deutschland, Polen, Spanien, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich durchgeführt. Es wurden 21 Tonnen Altkleider aus den Saisons Herbst/Winter 2021 und Frühjahr/Sommer 2022 untersucht, um saisonale Schwankungen zu ermitteln. Die Studie ergab, dass Baumwolle mit einem Anteil von 42 % die am häufigsten vorkommende Faser war, noch vor Mischgeweben (32 %), unter denen Polycotton, eine Mischung aus Baumwolle und Polyester, mit 12 % vorherrschend war.
Wenn man die problematischen Elemente wie Knöpfe und Reißverschlüsse sowie die Recyclingschwierigkeiten im Zusammenhang mit Färbungen außer Acht lässt, zeigt sich, dass 21% der untersuchten Bestände durch mechanisches Recycling verwertet werden können, während 53% durch chemisches Recycling zu bewältigen sind. Nur 2% der Altkleider gehen bislang in das Faser-zu-Faser-Recycling.
"Da die Verpflichtungen und Strategien für das Faser-zu-Faser-Recycling von Textilien ebenso zunehmen wie die Menge der gesammelten Textilabfälle, erfordert die Infrastruktur, die für die Umstellung auf Kreislaufsysteme erforderlich ist, erhebliche Investitionen", sagte Katrin Ley, Geschäftsführerin der FFG. "Um fundierte Investitionsentscheidungen zu treffen sowie den kommerziellen Nutzen der Monetarisierung durch Recycling zu bewerten, ist ein tieferes Verständnis der Merkmale der derzeitigen europäischen Landschaft für Post-Consumer-Textilien erforderlich. Dieses Projekt schafft die Wissensgrundlage, die es den Hauptakteuren ermöglichen wird, den Prozess in Gang zu setzen".

In seinem frei zugänglichen Bericht mit zwölf Kapiteln schätzt Fashion for Good, dass allein in den untersuchten Ländern jährlich 264.000 Tonnen Baumwolle, 67.000 Tonnen Polyester und 78.000 Tonnen Polycotton zur Verfügung stehen könnten. Da das Recycling noch immer hauptsächlich durch das Färben der Produkte behindert wird, weist die Studie darauf hin, dass die für das mechanische Recycling verfügbaren Bestände überwiegend weiß (25,1 %), blau (20,8 %), schwarz (14,1 %) und grau (10,3 %) sind.
Ein weiteres Hindernis für das Recycling sind "disruptive" Elemente wie Reißverschlüsse, Knöpfe und andere Metalldetails, die sich als Schlüsselproblem erweisen. Bei 48,7% der untersuchten einlagigen Kleidungsstücke sind diese Elemente nicht zu entfernen. Nur 32,4 % der Kleidungsstücke enthielten keine derartigen Elemente. Marken, die auf der Suche nach mehr Zirkularität sind, sollten sich bewusst machen, dass diese Störfaktoren eine Herausforderung für die automatisierte Sortierung und das Recycling von Kleidungsstücken darstellen.
Sechs Empfehlungen für mehr Zirkularität
Am Ende dieses datenreichen Berichts, der sich an Hersteller, Marken und Designer richtet, spricht FFG sechs Empfehlungen aus. Es wird unter anderem vorgeschlagen, der Recyclingfähigkeit von Produkten mehr Aufmerksamkeit zu widmen, da 26 % der Kleidungsstücke aus verschiedenen Gründen nicht recycelbar sind. Außerdem solle Recycling als letzter Ausweg zu betrachtet werden: Marken sollten der Langlebigkeit ihrer Produkte Priorität einräumen und sie für "angemessene Lebenszyklen" konzipieren. Drittens wies FFG darauf hin, dass die Abfallsortierung immer noch wenig automatisiert und teuer ist, was bei der Berechnung des Preises für die zum Recycling bestimmten Fasern berücksichtigt werden sollte.

Fashion for Good weist außerdem darauf hin, dass die steigenden Mengen an gesammelten, nicht verwertbaren Materialien die notwendige Entwicklung der Sortierwege untergraben könnten. Dies ist ein Faktor, den Markenunternehmen berücksichtigen sollten, da 55% der in den betrachteten Ländern gesammelten Materialien im Ausland sortiert werden. FFG fordert außerdem weitere quantitative Untersuchungen in den einzelnen Ländern, um das Potenzial und die Hindernisse für ein stärkeres Textilrecycling zu ermitteln.
Schließlich appelliert die Organisation an die Verbraucher selbst, Teile aus einem einzigen Material oder aus einer Mischung von zwei Materialien zu bevorzugen. Außerdem sollten sie darüber nachdenken, gebrauchte Kleidung und Accessoires zu reparieren, weiterzuverkaufen oder auch zu tauschen, bevor sie sie in Sammelstellen geben.
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