Fabeau
29.02.2016
Gerry Weber setzt den Rotstift an
Fabeau
29.02.2016
Ralf Weber, David Frink und Norbert Steinke stellen sich den Herausforderungen der nächsten 18 bis 24 Monate und
Ralf Weber zieht die Reißleine. Das einstige strahlende westfälische Modeimperiums, das sein Vater aufgebaut hat, hadert mit den aktuellen Umwälzungen im Modemarkt und verliert zunehmend an Stahlkraft. Höchste Zeit also, den Kurs zu korrigieren. Zwar konnte die Gerry Weber International AG ihre Erlöse um über 8% auf knapp 921 Mio. Euro verbessern, aber das Wachstum muss zum einen der Flächenexpansion und zum anderen (und größtenteils) der neuen Tochter Hallhuber zugeschrieben werden, die als einzige der vier Marken auch auf gleicher Fläche zulegen konnte. Drastischer aber fielen in der Gesamtschau aber die Ergebniszahlen aus: Das EBITDA brach um 14% auf 116 Mio. Euro ein, das EBIT gar um 27% auf 80 Mio. Euro. Nach Steuern blieb ein Überschuss von lediglich 52 Mio. Euro. Düster ist auch die Prognose für das laufende Jahr: Der Umsatz wird nur im Bestfall die 920 Mio. Euro-Marke des Vorjahres streifen, wahrscheinlich ist ein Umsatz zwischen 890 und 920 Mio. Euro. Auch beim Gewinn soll es Einschnitte geben: Das EBIT wird voraussichtlich zwischen 10 und 20 Mio. Euro liegen.
Jeder zehnte Store und jeder zehnte Mitarbeiter wird weggekürzt
Jeder zehnte, vielleicht sogar jeder neunte Store der sog. CORE-Marken soll geschlossen werden
Die Einschnitte nimmt Gerry Weber aber bewusst in Kauf, denn es ist eine Transformationsphase, in der der Konzern wieder zu alter Stärke zurückgeführt werden soll: „Die kommenden 18 bis 24 Monaten werden zweifelsohne eine große Herausforderung für unser Unternehmen“, kündigt CEO Ralf Weber an. Mit dem Reorganisationsprogramm „Fit4Growth“ will er das Familienunternehmen profitabel ausrichten. Einschnitte seien „in der jetzigen Situation unausweichlich“, um den Fortbestand des Konzerns langfristig zu sichern. Das Programm hat vier Bereiche - Retail, Strukturen, Wholesale und Marken - im Fokus.
- Das Retail-Netzwerk mit über 987 Läden (ohne Hallhuber) soll konsolidiert werden. "Vor dem Hintergrund der anhaltend schwierigen Marktbedingungen und des sich nachhaltig verändernden Einkaufs- und Kundenverhaltens hat sich die starke Ausweitung der eigenen Verkaufsflächen als zu ambitioniert erwiesen und belastet sowohl unsere Profitabilität als auch unsere Flexibilität. Dem müssen wir jetzt entgegensteuern", begründet Chief Retail Officer Norbert Steinke den Schritt. Laut jetzigen Planungen sollen 102 Filialen geschlossen, bei weiteren 5% des Store-Portfolios (rund 40 Läden) wird aktuell im Hinblick auf Margen und Wachstumsprognose geprüft, ob auch sie geschlossen werden sollen. Von den Schließungen sind rund 460 Mitarbeiter betroffen.
- Weitere 200 Stellen in der Zentrale und 50 Stellen in den Auslandsgesellschaften werden ebenfalls wegfallen. Damit entlässt Gerry Weber jeden zehnten Mitarbeiter. In der jetzigen Situation können die Strukturen nur dann wirksam verschlankt werden, „wenn wir Einschnitte bei Arbeitsplätzen machen“, erklärte CFO Dr. David Frink und fügte hinzu dass der „erforderliche Arbeitsplatzabbau so fair und sozialverträglich wie möglich“ umgesetzt werden soll. Durch schlankere Prozesse und Strukturen will der Konzern ab 2017/19 rund 20 bis 25 Mio. Euro einsparen.
- Das Wholesale-Geschäft - momentan eher Klotz am Bein - soll wieder „Wachstumsmotor des Unternehmens“ werden. Mit besserer Inszenierung und besser Betreuung der Wholesale-Kunden, besserer Warensteuerung will Gerry Weber beim Handel punkten.
- Gleichzeitig sollen alle drei Kern-Marken überarbeitet und attraktiver positioniert werden. Erreicht werden soll dies, indem Gerry Weber, Taifun und Samoon als jeweils separate Strategie Geschäftseinheit geführt werden, um sich so stärker und schneller an Markt- und Kundenbedürfnissen auszurichten. Neben der Schärfung der Markenidentität und Modernisierung der Kollektionen, läuft aktuell die Testphase für eine weitere, neue Marke.
Fotos: Gerry Weber International AG
© Fabeau All rights reserved.