Hugo Boss betont "Wettbewerbsvorteil" der europäischen Beschaffungsstrategie
Hugo Boss setzt bei seiner Produktion auf Transparenz. Der deutsche Konzern legt die Organisation und seine Projekte für die Produktion von Kleidung, Schuhen und Accessoires offen. Damit beweist er einerseits sein Potenzial angesichts der Konkurrenz, und verbessert andererseits sein Image bei den Verbrauchern.
Anlässlich der Präsentation der Jahresergebnisse am 10. März 2022 rückte der Konzern die Aspekte Sourcing und Produktion in den Fokus, mit dem Ziel, die Produkteinführungszeit zu verkürzen. Weiter will das Unternehmen durch sein Programm Claim 5 bis 2025 4 Milliarden Euro umsetzen … und schon ab 2022 mehr als 3,1 Milliarden Euro erzielen. Im Berichtsjahr verbuchte Hugo Boss 2,786 Milliarden Euro Umsatz.
Stillstand der Produktionseinheiten, höhere Rohstoffpreise, Anstieg der internationalen Transportkosten und Druck der Kunden nach erhöhter Transparenz zu Nachhaltigkeitsaspekten in der Produktion – die Beschaffung ist ein Kernanliegen für die Branche … und den im Wandel begriffenen Konzern.
Die soziale Verantwortung des Unternehmens wurde in den vergangenen Monaten genau beobachtet, seit Hugo Boss im vergangenen September von NGOs verklagt wurde, da es neben anderen deutschen Unternehmen mit chinesischen Partnern arbeitete, die im westchinesischen Xinjiang von der Zwangsarbeit der uighurischen Minderheit profitierten. Obwohl Hugo Boss Anfang 2022 Kontrollen, Audits und einen neuen Verhaltenskodex eingeführt hatte, verwies BuzzFeedNews darauf, dass das Unternehmen auf seiner Lieferantenliste die chinesische Gruppe Esquel aufgeführt hatte. Diese produziert in China Kleidung aus Baumwolle aus der Region Xinjiang. Laut dem amerikanischen Newsportal wurde die Zusammenarbeit seither eingestellt.
Deshalb zählten am 10. März die Produktion in China und die Verwendung von Baumwolle aus Xinjiang zu den Gesprächspunkten. Finanzchef Yves Müller betonte, dass der Konzern keine Baumwolle aus Xinjiang mehr verwende und er der Better Cotton Initiative beigetreten sei.
CEO Daniel Grieder betonte auch die sozialen und ökologischen Engagements, ohne Präsentation. Er verwies darauf, dass der Konzern im Dow Jones Sustainability Index, der die Nachhaltigkeit in der Textilbranche misst, den zweitbesten Wert erzielt hatte. Weiter wolle der Konzern bis 2025 60 Prozent "nachhaltige" Looks anbieten und bis 2030 80 Prozent der Produkte der Kreislaufwirtschaft zuführen. "Wir sind überzeugt, dass Polyester ersetzt werden muss. Erdölbasierte Kleider machen heute über 60 Prozent des gesamten Kleidungsangebots aus. Davon müssen wir wegkommen"¸ pochte der Geschäftsführer. Er erinnerte weiter an die Investition in das Schweizer Unternehmen Heiq Aeoniq, das eine Alternative für Polyester entwickelt hat.
Der Konzern erzielt 67 Prozent seines Umsatzes in Europa erzielt und betont, dass 49 Prozent der Produktion heute in einem europanahen Einzugsgebiet angesiedelt sind. Angesichts der durch den Transport generierten CO2-Emissionen ist dies ein ökologisches Argument, doch nicht nur.
"Der bedeutende Anstieg der Produktions- und Transportkosten könnte eine Auswirkung haben, aber da unser Produktionsvolumen ansteigt, profitieren wir von Skaleneffekten", so Yves Müller. "Unsere Produktion in Europa sichert uns auch einen Wettbewerbsvorteil. China zählt bei uns zu den fünf größten Verbrauchermärkten, deshalb haben wir unsere Sourcingstrategie angepasst, um auf rund 17 Prozent zu kommen. Wir sind weniger exponiert als unsere Konkurrenten, insbesondere da die Hälfte unserer Produkte in der Türkei, in Osteuropa, Portugal und im Maghreb hergestellt werden". Asien macht noch immer 49 Prozent der Produktion aus, doch innerhalb der Region erweiterte Vietnam seinen Anteil auf 16 Prozent.
Somit verfolgt Hugo Boss eine Strategie der Nähe zu den Verbrauchermärkten der Gruppe. Um seinen Lieferzeiträumen zu entsprechen, muss das Haus dennoch einige in Asien produzierte Kollektionen per Luftfracht einfliegen. Die Türkei ist heute das größte Produktionsland mit einem Anteil von 24 Prozent an der Gesamtproduktion.
Eine Investition von 10 Millionen Euro am Standort Izmir in der Türkei
Weiter präzisierte Hugo Boss, dass 17 Prozent der Kollektionen in konzerneigenen Fabriken hergestellt werden, großmehrheitlich am Produktionsstandort Izmir in der Türkei. "Das Unternehmen hat stark vom Gleichgewicht seiner weltweiten Lieferungen profitiert, wie auch von der Flexibilität der eigenen Produktionsstätten, der langfristigen strategischen Partnerschaften mit Zulieferern und der erfolgreichen Aufnahme neuer Partner im Rahmen der allgemeinen wirtschaftlichen Erholung und dem starken Umsatzwachstum im Jahr 2021", erklärte der Konzern in seiner Jahresbilanz. Bis 2025 will Hugo Boss die Produkteinführungszeit um 30 Prozent verringern und in die Digitalisierung seiner Geschäftstätigkeit investieren, um flexiblere Produktions- und Logistikprozesse zu ermöglichen.
Mit diesem Ziel vor Augen will der Konzern 10 Millionen Euro in seinen Standort in Izmir investieren und in den kommenden Jahren Tausend neue Mitarbeiter einstellen. Dies zeugt von der erfolgten Wende beim Modehaus, das weniger formelle Kollektionen in sein Angebot aufnehmen will. In Izmir wurden bislang Anzüge, Jacken, Hemden und Mäntel hergestellt, doch seit vergangenem Jahr werden an diesem Standort auch Hosen und Casualwear produziert. Mit der Investition sollen Produktionslinien für Jersey-Produkte finanziert werden.
Auch am Hauptsitz in Metzingen verfügt Hugo Boss über einen Standort für hochwertige Maßanfertigungen, sowie eine Made in Germany-Kollektion, die für den chinesischen Markt bestimmt ist. Die "Boss Made to Measure"-Hemden werden im schweizerischen Coldrerio produziert, während Schuhe und Turnschuhe in den Produktionsstätten von Radom (Polen) und Morrovalle (Italien) hergestellt werden. Die auf Stoffe spezialisierte Forschungseinheit ist in Portugal angesiedelt und in einer City Factory in Los Angeles sollen "Veredelungen für Jeans und andere Denimprodukte" getestet werden. Damit ist auch der Zugang zum dynamischen amerikanischen Markt offen.
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