Godfrey Deeny
11.06.2017
LFWM: Charles Jeffrey gibt den Loverboy – und erschafft den Fashion-Moment
Godfrey Deeny
11.06.2017
Bei der London Fashion Week geht es immer um die Entdeckung frischer Talente – und wenige sind cooler als Charles Jeffrey. Er ist hier für den ersten richtigen Mode-Moment in der Menswear-Saison mit seiner „Loverboy“ Show verantwortlich – ein Treffen von verzauberten Höflingen, Hogarth Bösewichten und Herzoginnen in Mantillas gekleidet.
Charles Jeffrey, Finalist beim LVMH Preis, der Mitte Juni vergeben wird, ist ein schonungsloser Designer und in seinem Oeuvre nutzt er vor allem die befreiende Kraft der Partypeople. „Es geht um die euphorische Einheit und Kraft der Ausschweifung“, erklärt er Backstage. Ein Designer der sein Haar golden färbt, Rouge auf den Wangen trägt und roten Eyeshadow liebt.
Seine Show beginnt mit einer Performance der Theo Adams Company. Gruppen aus wilden Tänzern, geschmückt mit Blättern, Blüten und allerlei Krimskrams – alles in pink – tragen dazu geometrische Pappmaché-Schachteln und schmeißen mit silbernen Konfetti um sich herum – hinter ihnen erscheinen auf einmal die Models.
Die Kollektion war größtenteils eine Ansammlung an Charakteren: Punks mit schnallenverzierten Tartans, elisabethanische Höflinge in Lederblousons mit Reisverschlüssen, dazu breitgestreifte Gangsteranzüge, Husarenjacken und Uniformen mit goldenen Brustschnüren, kombiniert mit weißen Boxerstiefeln. Als Höhepunkt eine schlaksige „Braut“ mit blauem Gesicht, gekleidet in einem bemalten Kleid mit Reifrock.
In einer Modewoche, die durch das überraschende Wahlergebnis thematisch bestimmt wurde, zeigt der Schotte auch sein politisches Interesse, mit T-Shirts, die mit absurden Zeitungsüberschriften bedruckt sind – passend zur generellen Anti-Haltung gegenüber den Printmedien diese Saison. So betitelte The Scottish Basic eine Geschichte mit “Postman Beats Lavendar Bush!” – aha.
Nach seiner ersten eigenen Show bedankt sich Jeffrey mit einer ausgedehnten Tour auf dem Laufsteg, der in einem unvollendeten Bürogebäude mit Blick auf die Themse in der 180 Strand liegt, wo übrigens die meisten Menswear-Shows stattfinden. Die Zuschauer applaudierten ihm wie einem Rockstar, der er inzwischen irgendwie auch ist: Seine monatlichen „Loverboy“-Partys in Dalston sind legendär. Die Besucher bemalen ihre Gesichter mit Farbe und tragen haarsträubende Kostüme. Diese wilden Feiern ermöglichten ihm die Zahlung seiner Studiengebühren am St. Martins, wo er 2015 seinen Abschluss machte.
Kompliment an LVMH, dass sie Jeffrey schon am Anfang seiner Karriere entdeckt haben. Noch ist er ein ungeschliffener Rohdiamant, aber wenn seine Entwicklung so rasend schnell voranschreitet, wird hoffentlich irgendein Label schlau genug sein ihn als Kreativdirektor anzuheuern.
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