Metaverse Fashion Week: Die Mode in der pulsierenden virtuellen Welt von Decentraland
Vom 24. bis 27. März fand in der virtuellen Welt Decentraland die erste "Metaverse Fashion Week" (kurz: MVFW) statt, weiterer Beleg für des Erstarken des virtuellen Modemarktes. Dem Metaversum erbot sich mit diesem Anlass die Möglichkeit, sich von seinen virtuellen Konkurrenzwelten abzuheben. Und auf der Seite der Marken ist der Wille zu verspüren, diese neuen Welten ernst zu nehmen. Eine Reaktion fernab des Snobismus, mit dem die Branche einst dem noch jungen Online-Handel begegnete. Das Zusammentreffen dieser Ambitionen schuf einen kreativen und verkaufsstarken Cocktail – ungeachtet der technischen und organisatorischen Hürden. Und warf viele Fragen zum Potenzial der virtuellen Mode auf.
Der Startschuss für die erste Metaverse Fashion Week fiel am Donnerstag mit der Show von Dolce & Gabbana, die in einem Meer von Laserstrahlen im kurz zuvor eingeweihten UNXD Luxury District (Koordinaten: 100, -18) willkommen geheißen wurde. Mitten in diesem an die Avenue Montaigne im 8. Arrondissement von Paris angelehnten Viertel, in dem Stores von Dolce & Gabbana, Etro, Auroboros und Frank Muller angesiedelt sind, befindet sich eine riesige Agora. In deren Mitte thronte ein Laufsteg in Form einer "Acht", auf der Avatare mit den virtuellen Kollektionen defilierten.
Alles verlief nach einem genauen Skript. Etwas zu genau, vielleicht, so dass unter den rund hundert versammelten Zuschauern Messages ausgetauscht wurden: "Hier passiert nichts, und bei euch?", fragte etwa ein Besucher. Den Eindruck schienen auch andere Avatare zu teilen, sie melden sich ab, und bevor sie sich wieder anmelden konnten, war die Show leider schon vorbei. Ein riesiger Countdown verwies auf die lange Wartezeit bis zur nächsten Show.
Dasselbe Problem schein am Freitag auch bei Etro aufgetreten zu sein, und bei vereinzelten Besuchern am ganzen Wochenende. Wodurch sie den Schauer rosaroter Sterne verpassten, den Etro für den Anlass geplant hatte. Leider reichen manchmal weder eine gute Verbindung noch ein Gamer-PC aus, um eine reibungslose Teilnahme zu garantieren.
An einem weiteren virtuellen Standort, dem Kollectif Catwalk (97, -13), wurden ebenfalls mehrere Schauen organisiert. Hier wartete eine futuristisch anmutende Bühne auf die zahlreichen Zuschauer aus Decentraland. Perry Ellis, Christine Massary, MTA x DressX und 8sian enthüllten hier ihre Kollektionen in einer transparenten Röhre. Die virtuellen Models gingen über den kreisrunden Laufsteg, hielten inne und nahmen die immer gleichen drei Posen ein, in mehreren Durchgängen. Diese Wiederholung war insbesondere für Zuschauer, die der Show nicht von Anfang an beiwohnten, sehr passend.
Auch am Plein Plaza (-80,- 57) wurde eine mit Spannung erwartete Show gezeigt. Und der deutsche Designer enttäuschte sein Publikum nicht. Mitten im riesigen Raum befand sich eine schneckenähnliche Kreatur, die von Zeit zu Zeit den furchterregenden Mund aufriss, um ein übernatürliches Model freizulassen. Doch für Decentraland waren diese Models gar nicht so übernatürlich. Genau dies war eine der Lehren aus dieser ersten MVFW: Die Marken gehen vielleicht nicht weit genug.
Müssen die Codes der realen Welt an die virtuelle Welt angepasst werden?
Denn die sympathischen und gastfreundlichen Decentraland-User sind in ihrem Metaversum oft in knalligen Outfits gekleidet, mit neonfarbenen Flügeln, hintergrundbeleuchteten Anzügen, Roboter-Parkas, Zentaurenkörper, … die Shows der großen Marken wurden somit mit großer Spannung erwartet. Doch leider fielen einige Kollektionen im Vergleich zu den Outfits der Zuschauer sehr blass aus.
Es stellt sich für die Marken die Frage, welche Meta-Strategie sie IRL (im wirklichen Leben, Anm. d. Red.) verfolgen sollen: sich an die Idee der physischen Kollektionen anlehnen, wie Etro, oder diese den fantastischen kreativen Möglichkeiten der virtuellen Welt anpassen, wie D&G (ohne sich dabei zu verlieren)? Eines ist sicher: Angesichts der vielfältigen Looks der Besucher, sind die potenziellen Käufer da. Bleibt zu ermitteln, wie groß der Markt ist, und welche Investitionen für die Marken Sinn machen.
Zusätzlich zu den eigentlichen Modenschauen nutzte Selfridges die Gelegenheit der Modewoche, um den neuen Flagship-Store einzuweihen (63, 14). Das Gebäude mit Wabenstruktur (das sich direkt am realen Flagship-Store in Birmingham inspirierte), zeigte die virtuellen Entwürfe von Paco Rabanne. An der Rarible Street (-44, 70) konnten die Besucher die Flagship-Stores von Perry Ellis und PumaxArtisant besuchen, sowie von Pure Players wie Crypto Couture. Auch IKKS präsentierte einen neuen Flagship in einer weiteren Modeallee, dem Portal Fashion District (-86, 108). Hier sind zwei Dutzend Marken vertreten, darunter Hogan und Tommy Hilfiger.<<<18>>>
Tommy Hilfiger beteiligte sich mit seinem persönlichen Avatar an der MVFW. Doch wie einige Beobachter enttäuscht bemerkten, wurde die Uhrzeit seiner Konferenz am Freitag aufgrund eines Planungsfehlers (der im Nachhinein berichtigt wurde) später angezeigt als sie tatsächlich stattfand. Die Modewochen scheinen somit auch im Metaversum nicht vor zeitlichen Planungsschwierigkeiten gefeit zu sein. Und obwohl die angebotenen Gesprächsrunden inhaltlich sinnvoll waren, so warf die Teilnahme aus virtuellen Sitzreihen vor einem Bildschirm am Bildschirm hinsichtlich der Komplexität der Organisationsform doch einige Fragen auf.
Auch beim Flanieren in den Einkaufsstraßen von Decentraland stellen sich Fragen. Im Vergleich zum Onlinehandel bietet der stationäre Handel den Vorteil, dass Kleider aus nächster Nähe betrachtet werden können. In einem Metaversum-Flagship werden sie jedoch nicht besser angezeigt als im internen Marketplace von Decentraland. Dadurch wird früher oder später die Relevanz dieser von der realen Welt abgekupferten Verkaufsstellen in Frage gestellt, abgesehen von der eigentlichen Einkaufserfahrung selbst
Die Marke Estée Lauder, deren Produkte nur schwer 'virtualisierbar' sind, schien auf diese letztere Idee zu setzen: An ihrer Adresse (-17, 140) schwebte während der MVFW eine riesige Nachtcreme-Dose in der Luft. Darin bot das Label den Besuchern eine exklusive "Estée Lauder Experience".
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