Godfrey Deeny
16.06.2017
Off-White c/o Virgil Abloh: Gegen den Krieg, aber modisch schwach
Godfrey Deeny
16.06.2017
Bei der Pitti, der Herrenmodemesse in Florenz, eingeladen zu werden, kann der Ritterschlag für einen Designer sein – oder es kann die brutale Offenbarung über die Grenzen des Talents und damit eine öffentliche Blamage werden. Und genau das passierte Donnerstagnacht bei Virgil Abloh, mit seiner großen Überheblichkeit und Selbstüberschätzung, das aus seiner schwache Show eine Farce wurde.
Man kann Abloh seine schauspielerischen Fähigkeiten nicht absprechen. Er überzeugte Jenny Holzer, die amerikanische Installations- und Konzeptkünstlerin, eine Reihe von Anti-Kriegs-Gedichten in zwei Meter hohen Worten auf die Fassade des Palazzo Pitti, dem berühmten Museum, zu projizieren. Und er nutzte die Lichtinstallation der klassischen Oper mit freundlicher Genehmigung der Opera di Firenze.
Dann kamen die Outfits. Eine Kollektion, die doch ab und an den Eindruck erweckte, dass Abloh die Arbeit von Raf Simons in Bezug auf Inszenierung und Silhouette genau betrachtet hat, während er sich für seine Sportbekleidung in Clubbing-Chic an Y-3 und in Bezug auf unerwartete Materialien bei Helmut Lang orientiert hat. Und nicht zu vergessen: Helmut Lang hat bereits vor zwei Jahrzehnten Jenny Holzer-Installationen in seinen eigenen Shows und Läden integriert.
Das Ergebnis waren etwa 30 Looks, die durch seltsam platzierte Reißverschlüsse und Öffnungen irritierten – kombiniert mit exzentrischen Versionen von klassischen Schuhen. Nur weil du einen Timberland-Stiefel im Farbton Puderorange rausschickst, macht das aus dir noch lange keinen Designer oder gar einen Künstler.
Ein Satz aus seinem Programm, auf den Abloh bestanden haben soll, weißt darauf hin, dass er ein "vielseitig talentierter Künstler (ah!) sei, der in der Modewelt als Off-White c/o Virgil Abloh arbeitet". Selbst Mode-Legenden wie Miuccia Prada und Karl Lagerfeld beschreiben sich ganz richtig als angewandte Künstler oder Kunsthandwerker. Abloh aber nennt Holzer eine "Kunstkollegin".
“No letter comes from the wounded Iran as long as death is the messenger and as the man“, ließt sich ein grammatikalisch unkorrektes Gedicht, das während der Show projiziert wurde, als ein Model in weißen Nylon-Shorts und Arbeitskittel seinen Bauch zeigt beim Durchlaufen. Am Ende der Show erschien der Designer vor dem Publikum, um seinen lauten Applaus abzuholen. Als aus der vorderen Reihe jemand laut auf englisch fragt: "Was heißt prätentiös auf italienisch?".
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