Serge Brunschwig: Ein Designer aus Arles in Rom
Es wird im laufenden Jahr wohl kein anderer Mode-Chef eine einprägsamere Modeschau zeigen als Serge Brunschwig für Fendi. Das römische Luxushaus organisierte am Donnerstagabend eine historische Show im ältesten Tempel der italienischen Hauptstadt.
Serge Brunschwig trat seine Position als CEO von Fendi Anfang 2018 an, zuvor überblickte er Dior Homme. Sein Stellenwechsel war Teil eines umfangreichen Stühlerückens bei LVMH. Sein Vorgänger bei Fendi, Pietro Beccari, wechselte zum selben Zeitpunkt zu Christian Dior über und sein ehemaliger Vorgesetzter bei Dior, Sidney Toledano, übernahm die Verantwortung über die "kleineren" Marken von LVMH. Eine untertriebene Bezeichnung für die Modehäuser, die zusammen mehr als EUR 3 Milliarden Umsatz erzielen.
Dem in der südfranzösischen Stadt Arles geborenen 52-jährigen Manager kam die schwierige Aufgabe zu, die Übergangsphase nach Karl Lagerfelds Tod zu meistern. Der verstorbene Designer stand 54 Jahre lang an der kreativen Spitze von Fendi – länger als irgendein anderer Designer bei irgendeiner anderen Luxusmarke. Eine heikle Angelegenheit, die viel Fingerspitzengefühl erforderte. Die Show im Tempel der Venus und der Roma am Donnerstagabend stand ebenfalls im Zeichen dieses Übergangs. Es handelte sich um die erste Couture-Show von Fendi Fourrure seit dem Ableben des großen Modeschöpfers.
Serge Brunschwig hatte die Show im Forum Romanum ursprünglich erst nach Karl Lagerfelds Zustimmung abgesegnet. Und letztlich war die Schau dadurch auch eine Hommage an den Modeschöpfer, der das berühmte Doppel-F-Logo von Fendi entworfen hatte und die Pelzbranche neu erfand. Lagerfeld betrachtete Felle als Rohmaterial, das geschoren, geschmiert, gestrickt und in komplizierteste Designs gewoben werden kann.
Die Fendi-Show war ein voller Erfolg: Von den "neuen Stoffen" wie Intarsienfellen, die antike römische Marmorböden imitierten bis hin zur Kulisse vor dem beleuchtete Kolosseum und den exotischen Gästen – Susan Sarandon, Catherine Zeta-Jones, Zendaya und zahlreiche bildschöne italienische Adlige und Schauspielerinnen, die sich für diesen Anlass in der Ewigen Stadt einfanden.
Die meisten Beobachter sind sich einig, dass Serge Brunschwig sich gleich an zwei hervorragenden Vorgängern messen muss: Sein unmittelbarer Vorgänger, Pietro Beccari, trieb den Umsatz bei Fendi über die 1-Milliarden-Euro-Grenze. Dies gelang ihm durch ein starkes Markenimage, aber auch die Entwicklung einer neuen Kategorie an Modeaccessoires und -Spielzeug. Dazu zählt insbesondere der Bag Charm Karlito. Noch vor Beccari stand Michael Burke am Ruder des Luxushauses, nachdem LVMH 2001 einen Mehrheitsanteil an Fendi übernommen hatte. Auch Burkes Führung wird als großer Erfolg erachtet, gelang es ihm doch, die Organisation des Unternehmens erfolgreich anzupassen und eine von fünf Schwestern geführte mittelgroße Familien-Pelzfirma zu straffen.
Serge Brunschwig scheint die Aufgabe soweit gelungen zu sein. Angesichts seiner umfangreichen Erfahrung überrascht dies auch kaum: Er arbeitete in New York für McKinsey und zog später nach Hongkong, um von 1996 bis 2000 Vuitton Asien zu überblicken. In dieser Zeit berichtete er an den "großen Chef" Yves Carcelle. Später arbeitete er für Sephora und Celine, bevor er zu Dior wechselte.
Serge Brunschwig strahlt die Energie einer leitenden LVMH-Führungskraft aus, kombiniert mit einer kartesianischen Logik und dem seriösen Herangehen eines Einwohners der Provence. Er stammt aus der befestigten Phönizier-Stadt Arles in der französischen Camargue, in der sich Vincent van Gogh niedergelassen hatte. Der historische Erfolg der Stadt lässt sich dadurch erklären, dass sie im römischen Bürgerkrieg für Caesar Partei ergriffen hatte.
Wir trafen Serge Brunschwig am Nachmittag seiner Show im Palazzo della Civilità Italiana. Das riesige rationalistische Gebäude aus den 1930er Jahren scheint einem Traum von Giorgio De Chirico zu entstammen. Der Manager sprach mit uns über diesen Angelpunkt in der Geschichte von Fendi, die Feinabstimmung des Einzelhandelsgeschäfts der Marke, die Schaffung spektakulärer Events und die digitale Zukunft des Modehauses.
FashionNetwork.com: Wieso haben Sie diese Show in Rom organisiert?
Serge Brunschwig: Aus vielen Gründen. Ich denke zunächst, dass es wichtig ist, dass wir als römisches Modehaus unsere Kollektionen auch manchmal hier zeigen. Und dies war der richtige Zeitpunkt. Als ich bei Fendi anfing, dachte ich, die Marke müsse ihre Tradition großartiger Laufstegpräsentationen beibehalten – wie als die Models am Trevi-Brunnen über das Wasser gingen oder auf der Chinesischen Mauer defilierten.
Im September stand ich im Tempel der Venus und der Roma und dachte nur: "Wow!". So erarbeiteten wir ein Dossier, dass ich Karl an einem ganzen Abend zeigte und er meinte dann: "Très bien. Lasst uns das machen."
Doch dann ging es ihm nicht mehr gut und er verstarb leider. Dennoch holten wir die Idee wieder hervor und dachten uns, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war, als Hommage an Karl.
FNW: Die römische Bürokratie ist bekanntlich langsam und kompliziert. Wie schwierig war es, eine Bewilligung einzuholen?
SB: Ehrlich gesagt, war es nicht so schwierig, die Genehmigung zu erhalten. Es ist eine archäologische Stätte – und wir schlugen vor, die Anlage zu restaurieren. Wir spenden EUR 2,5 Millionen für dieses Projekt. Darüber hinaus ist es für das Forum auch interessant, einen Moment solch grandioser Schönheit mitzuerleben. Das hinterlässt Spuren und hilft der Stadt Rom.
FNW: Wie unterscheidet sich die Führung einer römischen Marke von derjenigen eines Pariser Couture-Hauses wie Dior?
SB: Nun, sagen wir mal, der Unterschied ist ganz deutlich und dann wieder inexistent. Es handelt sich bei beiden um Mode- und Luxushäuser. Somit gelten dieselben Grundsätze: Sie erfordern Kreativität, Exzellenz und den Willen, gute Arbeit zu leisten.
In Italien besteht ein schöpferisches Potenzial und eine außergewöhnliche Reaktionsfreude. Natürlich haben wir das in Frankreich auch. Aber wenn man in Italien an einem Konferenztisch etwas vorschlägt kommen sie drei Wochen später mit einer Fülle an Ideen wieder und machen weitere Vorschläge.
Es macht Spaß, hier zu arbeiten. Die Menschen sind sehr simpatico und stets gut gelaunt. Ich liebe Frankreich, aber als Franzose wird man hier wirklich geschätzt. Es ist wirklich angenehm – in Rom und in Italien zu leben ist wie ein Traum, der sich erfüllt hat!
FNW: Können Sie uns mehr sagen zu Ihrem Jahresumsatz und wie das Jahr bisher läuft?
SB: Sie wissen ja, Godfrey, dass wir bei LVMH den Jahresumsatz unserer Marken nicht gesondert ausweisen.
FNW: Was sind Ihre Expansionspläne im Einzelhandel?
SB: Wir wollen nicht mehr Läden haben, sondern noch interessantere Verkaufsstellen in angemessener Größe und mit einem starken Verkaufsteam und einem vielfältigen Produktangebot. Also kurz gesagt: Weniger Läden, mehr Schönheit.
Das digitale Angebot dreht sich ganz um die Bequemlichkeit. Somit sind die Anforderungen an die physischen Läden gestiegen. Es muss ein gänzlich neues Phänomen geben. Für mich kommt das digitale Angebot heute dem gleich, was wir vor 20 Jahren hatten, als wir einen Store betraten.
FNW: Das große Modewort im Einzelhandel lautet Omnichannel. Wie balanciert Fendi zwischen E-Tailing, physischen Stores, Pop-ups und Onlinebestellungen, die in die Läden geliefert werden?
SB: Omnichannel, hm. Was für mich wichtig ist, ist großartiger Service. Der Kunde kommt in einen Laden, um bedient zu werden, und nicht, damit wir ihm möglichst viele Bildschirme zeigen können. Natürlich helfen diese Tools Kunden dabei, mehr über die Marke zu erfahren. Aber wir dürfen uns nicht darüber hinwegtäuschen, warum die Menschen in die Läden kommen.
Fendi hat ein sehr reichhaltiges Angebot – mit einer breiten Produktpalette in der Menswear, Womenswear, sowie mit Pelzen und Accessoires. Wenn man sich unseren römischen Store anschaut so funktioniert er noch besser, als zu erwarten wäre. Wie die Aufschlüsselung im Einzelhandel aussieht? Das lässt sich unmöglich sagen, aber für mich wird der digitale Anteil stets weniger Gewicht haben.
FNW: Wie definieren Sie die DNA von Fendi?
SB: Das kann ich nur für das hier und jetzt sagen. Es ist ein Haus, das voller Ideen für neue Produkte steckt, die unseren Codes und Techniken entsprechen. Im Augenblick denke ich, dass die Marke so viel zu sagen hat. In den 54 Jahren mit Karl Lagerfeld hat sie sich ständig verändert und das dürfte auch weiterhin der Fall sein.
FNW: Angesichts der Anzahl chinesischer Gäste in den Fendi-Shows muss der chinesische Markt ein ziemliches Gewicht haben?
SB: China ist einer unserer größten Märkte – und sollte eigentlich der größte sein. Unsere Priorität liegt im Ausbau bestehender Läden. Und wir haben viel getan: Vor kurzem organisierten wir eine großartige Show in Shanghai – Menswear und Womenswear zusammen – im Powerlong Museum. Keine kleine Angelegenheit.
FNW: Der Tod von Karl Lagerfeld war ein Angelpunkt für das Haus. In welche Richtung sehen Sie die zukünftige Entwicklung von Fendi?
SB: Karl hat uns in voller Fahrt verlassen. Er arbeitete bis zum Schluss und verließ uns in gewisser Weise ohne Abschied zu nehmen – aber sein Atem ist im Haus noch immer zu spüren. Als wäre er noch bei uns.
FNW: Mitten in Rom betreiben Sie ein kleines Fendi-Hotel. Wann können wir mit einem großen Fendi-Hotel rechnen? Welche neuen Produktkategorien möchten Sie entwickeln?
SB: Wir haben eine Lizenz für Fendi Casa mit dem italienischen Unternehmen Luxury Living, das von Signor Alberto Vignatelli meisterhaft geführt wird. Unsere einzige andere Lizenz betrifft Sonnenbrillen. Parfüms? Das haben wir noch nicht, darüber müssten wir zunächst nachdenken.
FNW: Ein weiteres zentrales Schlagwort ist heute die Nachhaltigkeit. Was tut Fendi in diesem Bereich?
SB: Nachhaltigkeit ist wichtig. Unsere Welt braucht unsere volle Unterstützung. Doch für mich ist es eine Frage des Savoir-faire – des menschlichen Wohlbefindens im Unternehmen. Großartige Jobs und großartige Produkte anzubieten. Die Ausbildung ist entscheidend, wir müssen das Metier unseres Handwerks für die Gesellschaft attraktiver gestalten. Meines Erachtens haben wir da ein Image-Defizit. Schauen Sie sich Restaurants an: Vor 20 Jahren war die Arbeit in einer Restaurantküche alles andere als cool. Heute ist der Beruf des Küchenchefs wieder sehr attraktiv, sie sind regelrechte Stars. Daran müssen wir arbeiten, besonders in Italien. Denn dieses Land braucht neue Jobs.
FNW: Die London Fashion Week ist offiziell eine pelzfreie Zone und jeden Monat kündigt ein neues Modehaus an, auf Tierfelle verzichten zu wollen – von Gucci über Ralph Lauren bis hin zu Burberry. Wie sehen Sie das?
SB: Im Hinblick auf die Umwelt arbeiten wir an unserer Supply Chain und unseren Auswirkungen auf die Natur. Wir verwenden so weit wie möglich natürliche Stoffe – was ja Felle sowieso auch sind. Und um die Rechte der Tiere zu schützen sind alle unsere Felle rückverfolgbar. Wir tun unsere Arbeit und sind stolz, mit Tierfellen zu arbeiten und wir tun dies auf kreative Weise.
Man muss stolz sein auf das, was man tut. Es ist nichts Illegales und das macht es für uns in gewisser Weise einfacher. Aber wir respektieren die Entscheidung unserer Kollegen.
FNW: Wie würden Sie den typischen Fendi-Kunden beschreiben?
SB: Kunden sind wie eine Pyramide. Wir bilden den höchsten Punkt aller italienischen Marken. Wie Chanel und Dior, deshalb machen wir Couture. Doch wollen wir uns auch breiter aufstellen. Und reizvolle Accessoires kreieren. Deshalb haben wir eine sehr breite Kundenbasis und sie sind alle sehr willkommen bei uns.
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