Valentino verzaubert Rom mit seiner Haute Couture
Mit einem großen Knall lieferte Valentino am Freitagabend eine spektakuläre Show im Herzen von Rom. Nach einem Abstecher nach Venedig im Vorjahr kehrte das Luxushaus im Besitz des katarischen Mayhoola-Fonds zu seinen Wurzeln zurück. Das Unternehmen enthüllte seine Couture-Kollektion für die Herbst-/Wintersaison 2022/2023 unter dem Titel "The Beginning" im Herzen der Hauptstadt, zwischen der zentral gelegenen Spanischen Treppe und der Piazza Mignanelli. Hier befindet sich der historische Palast, in dem sich das Haus niedergelassen hat und wo früher die Valentino-Schauen organisiert wurden. An der Show wurden vor 700 Gästen insgesamt 102 Silhouetten enthüllt.
Gegen 19 Uhr war die Spannung auf der Piazza di Spagna bereits spürbar, eine kleine Menschengruppe versammelte sich hinter den Schranken, die das Quartier abriegelten, während andere an den Fenstern der Gebäude Platz nahmen. Eine Parade schwarzer Autos, bunter Galakleider, Umarmungen, strahlender Gesichter ... Zu den erwarteten Prominenten zählten die amerikanische Schauspielerin Anne Hathaway, die neben Giancarlo Giammetti, Partner und langjähriger Freund des Markengründers Valentino Garavani Platz nahm, der selbst verhindert war. Ebenfalls anwesend waren Vertreter der wichtigsten Modeverbände, wie Pascal Morand, Carlo Capasa, Raffaello Napoleone sowie 120 Studierende verschiedener Modeschulen.
Plötzlich wurde das Stimmengewirr von Musik überdeckt und das römische Publikum von einer gewissen Erregung ergriffen. Die Gedanken wanderten zurück zur Pracht der Alta Moda von früher, also von 1986 bis 2003, als die italienische Couture-Woche traditionell mit dem berühmten Fernsehprogramm "Donna sotto le stelle" endete. Dabei defilierten die renommiertesten italienischen Modehäuser (Versace, Armani, Dolce & Gabbana, Roberto Cavalli, Valentino, Ferré usw.) auf der monumentalen Spanischen Treppe und ihren zwei Läufen.
Ganz oben erschien das erste Model in der goldenen Nachmittagssonne und nahm die 137 Stufen der berühmten Freitreppe in Angriff, hinunter zu einem langen Laufsteg auf der Piazza Mignanelli, bis hin zum Hauptsitz der Marke, "da, wo alles angefangen hat". Ihr Mini-Umhang aus riesigen roten Rosen und Taft wurde von Kreativdirektor Pierpaolo Piccioli als Hommage an das mythische Fiesta-Kleid entworfen, das Valentino 1959 kreierte.
Darauf folgten Rüschenblusen aus zarter Gazar-Seide, voluminöse Faille- und Organzaröcke, darunter ein mit türkisfarbenen Federn besticktes Modell, fließende Hemdkleider aus Kreppgewebe mit federbesetzen Puffärmeln, enganliegende Etuikleider aus Seidencady, Kleider mit schmalen Trägern, die ganz von sanften Straußenfedern bedeckt waren, sowie wehende Kleider aus Chiffon-Voile, die im Wind tanzten.
Alles luftig leicht und schwebend, während der typische römische Ponentino-Wind die Schleppen anmutig anhob. Der Eindruck wurde durch die auf Knöchelhöhe tanzenden Federn und den breiten Kopfschmuck mit seitlichen Federwolken noch bestärkt. "Ich wollte eine andere Interpretation der Romantik von Valentino zeigen, mit mehr Leichtigkeit. In dieser Kollektion ist alles Bewegung", betonte der Designer vor einer Handvoll Journalisten.
Er verwies auf seine Jugend, als er aus seiner Heimatstadt Nettuno nach Rom kam, um im Publikum der Sendung "Donna sotto le stelle" beizuwohnen. Er erinnert sich auch an seine Anfänge im Haus im Jahr 2020 als Accessoires-Designer. "Damals arbeitete ich mit Valentino. Und seither stehen wir in ständigem Austausch. Nach diesen 22 Jahren habe ich das Gefühl empfunden, ein Gespräch mit ihm zu führen. Ein ideales Gespräch, zukunftsorientiert, das einen neuen Anfang symbolisiert".
In der ganzen Kollektion sind Anspielungen auf die Codes des Hauses untergebracht. Da sind zunächst die Rosen. Teils als dreidimensionale Hauptdarsteller im XL-Format auf Tops, Jacken, oder an das Knopfloch eines Mantels oder eines Umhangs aus Seidenplüsch geheftet, teils ganz diskret, um die Knöchel gebunden. Dazu breite Schleifen und Bänder, um die Taille gewickelt, wie bei einem Mantel, der vollständig aus kontrastierenden geflochtenen Bändern gefertigt wurde. Und natürlich das berühmte Valentino-Rot, das für vielfältige Entwürfe zum Einsatz kam.
Wie gewohnt erweiterte der Designer seine Farbpalette um intensive, leuchtende Schattierungen (Smaragd-, Mint- und Jadegrün, Pink, Burgunderrot, Pflaumenrot, Violett, Lila, Limettengrün usw.) für einfarbige Looks oder unterwartete Farbkombinationen. Netzstrümpfe mit strassbesetzten Abendkleidern, Hosenanzüge mit Mikropailletten, dazu zwanzig lässig gekleidete Herren in lose sitzenden Hosen und einfachen Tank Tops, darüber prächtige Kaschmirmäntel und einige glamouröse lange Lederhandschuhe. Die Models schienen in den frühen Morgenstunden von einer Party heimzukommen, während der britische Songwriter Labrinth live sang.
Mit einer vielfältigen Modelauswahl, mehrheitlich Vertreter von Minderheiten, zeigte das Haus seine Mischung aus Herren- und Damengarderobe an Models verschiedener Proportionen und Altersgruppen, ohne den Entwürfen einen Genderstempel aufzudrücken. Mit dieser Geste wolle Pierpaolo Piccioli eine klare politische Botschaft senden und Vorurteile und Homophobie anprangern.
"Die Körperformen rückt diesen Aspekt in den Mittelpunkt. Jeder kann sich, so wie er ist, frei fühlen, sich auszudrücken. Und mit der Wahl des Defilees in diesem römischen Monument historischer Bedeutung wollte ich dies mit Nachdruck und offiziell zeigen. Ich glaube, dass man mit Schönheit viel erzählen kann. Es ist eine andere Idee der Schönheit, die von einer Welt erzählt, die im Wandel begriffen ist", sagte er abschließend. Und bei der Schlussverneigung ließ der Designer die Gelegenheit nicht aus, sich mit seinem gesamten Atelier zu zeigen, dessen Mitglieder ihre Runde zu lebhaftem Applaus drehten.
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