Valentinos himmlische Vielfalt in der Haute Couture
Eine Show, die von den meisten Zuschauern schlicht als großartiges Mode-Event beschrieben werden dürfte. Eine ganze Reihe wunderschöner Models in Valentino-Kleidung stürmte den Lichthof eines berühmten Pariser Herrenhauses und wurde von Dutzenden weiteren Models aus den oberen Galerien angefeuert. Tobender Applaus. Und Naomi Campbell – der Star der mehrheitlich dunkelhäutigen Besetzung – umarmte den Couturier Pierpaolo Piccioli während dem Finale.

Ein modernistisches und doch klassisches Modestatement mit breiten, fließenden, sinnlichen Blumenkleidern aus Seide. Damit stand die Kollektion ganz im Einklang mit dem zentralen Trend dieser Couture-Saison – der Sehnsucht nach Natur. Das Publikum erhob sich geschlossen, um Pierpaolo Piccioli und seine Botschaft der Vielfältigkeit und der Andersartigkeit zu begrüßen. Mode ist mehr als nur Kleider und Piccioli setzt sich mit seinen Entwürfen klar für Integration und Toleranz ein.
Die Show bildete den jüngsten Höhepunkt der wichtigen Entwicklung zu mehr Bescheidenheit in der Mode: Der Eröffnungslook, getragen von einem dunkelhäutigen Model mit hellrot geschminkten Lippen, bestand aus einer Rosa-Kombination eines üppigen Rocks und eines intensiv gerüschten Umhangs in derselben Farben, der aussah wie ein riesiger blumiger Tschador. Das Outfit hieß "Rosa Madame Pierre Oger" – Denn der Designer hatte sein Atelier damit beauftragt, jeden Look nach einer Blume zu benennen.
Der vierte Look hieß "Fiora die Zucca" – zu Deutsch Zucchiniblüte – und bestand aus einem brillanten Ensemble aus einem bernsteinfarbenen Seiden-Wickelmantel, einem perlfarbenen Crepe-de-Chine-Top und mintgrünen Crepe-Hosen. Großartig, wahnsinnig opulent und ziemlich übertrieben, doch irgendwie vorzüglich passend. Auch der Look "Ninfea", nach einer rosafarbenen winterfesten Seerose benannt, war bemerkenswert mit einer himmlischen Kaschmirjacke über einem schokoladefarbenen Crepe-Hemd und mit smaragdgrünen Hosen kombiniert. Alle drei wurden sie von statuesken dunkelhäutigen Models mit sichtlichem Stolz getragen.

Die Farbenkombination war gewagt, schien aber gut zu funktionieren. Darf man zu behaupten wagen, dass der große Yves Saint Laurent, der weitum als Meister der Kombination aufsehenerregender Farben betrachtet wird, ein Jahrzehnt nach seinem Tod in dieser Hinsicht endlich einen würdigen Nachfolger gefunden hat?
Pierpaolo Piccioli setzt sich auch für Gleichstellung ein und sandte das russische Supermodel Natalia Vodianova mit einem besonders bemerkenswerten Outfit auf den Laufsteg: Sie wehte in einem mit Tausenden Stoffblumen besetzten schulterfreien Seidenkleid durch das Hôtel Salomon de Rothschild.
Wundervolle Kleider, deren Schönheit durch ein wahrhaft meisterhaftes Makeup von Pat McGrath noch unterstrichen wurde. Das Team der smarten dunkelhäutigen Britin verbrachte Stunden mit der Verschönerung von Augenlidern und ordnete Blütenblätter, Blätter und winzige Stiele kreisförmig um die Augen herum an, wie eine Blüte, die sich öffnet.

Hinter der Bühne wurde Pierpaolo Piccioli von Fans umringt. Auf seinem Moodboard waren Gaugins Bilder nackter Tahitianer, schwarze Madonnen und Soul-Sängerinnen, Angela Davis, Ausschnitte aus dem Ebony-Magazine und aus der vielbeachteten schwarzen Ausgabe der italienischen Vogue von Franca Sozzani zu erkennen.
"Couture ist die Art und Weise, wie die individuelle Einzigartigkeit beurteilt wird. Früher war Couture nicht für dunkelhäutige Models bestimmt, sie wurde nur für weiße Frauen entworfen. So ging ich zurück zu Ebony, zu Francas schwarzer Vogue-Ausgabe, um die Diversität neu zu beurteilen, und zwar nicht nur mit Streetwear", erklärte der Designer im Gespräch mit FashionNetwork.com. Zu seinen Fans zählen zahlreiche schwarze US-Sportler.
"Wir sprechen alle über Diversität, doch ist es etwas ganz anderes, über Diversität zu sprechen oder schwarze Schönheit in der Couture zu feiern. Es ist nicht einfach ein exotischer Touch. Es geht darum, das Recht dunkelhäutiger Models, daran teilzunehmen, in den Blickpunkt zu rücken. Es ist ein Perspektivenwechsel", schloss der Designer, während zahlreiche Gäste geduldig darauf warteten, ihm zu gratulieren.
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