JW Anderson: "Your Picture, our Future" – seine Mode
Jonathan Anderson ist ein Mann vieler Ideen. Seine jüngste Arbeit ist sehr verspielt, so verwendet er in seiner gemischten Show Donuts als Accessoires. Gezeigt wurden sowohl die Pre- als auch die Herbstkollektion.
Die Show fand erneut am frühen Samstagmorgen in einem kleinen Militärdepot in Bloomsbury statt, genauer gesagt dem Yeomanry House. Dieses Mal errichtete Anderson einen Labyrinth-ähnlichen Runway mit einer Reihe seltsamer Pilz- und Fliegenpilzskulpturen.
Unter den Zuschauern kommt bei Andersons Shows oft das Gefühl auf, ein Statist in einer Kunstinstallation von Marina Abramovic zu sein. Man steht so nahe an den Models, dass man ihre Kleider auf seinem Gesicht vorbeiziehen fühlt. Angesichts des meisterhaften Soundtracks von Michel Gaubert mit Charlotte Gainsbourgs Fever Ray and Deadly Valentine entsprach auch die musikalische Besetzung genau den Erwartungen, die man an eine Andersons Womenswear-Show stellt.
Die zentrale Linienführung für den kommenden Herbst geht über eine tiefe Taille und eine "Aufhängung", wobei die Kleider vom Oberkörper in verschiedenen Winkeln abstehen oder herunterfallen. Von pinkfarbenem Kattun bis hin zu hautfarbenen Seiden-Plissees oder Paisley-Mustern, wie er sie in seinen ersten Shows vor zehn Jahren eingesetzt hatte, inspirierte sich der Designer am britischen Maler Richard Smith. Dieser machte sich in den 1970er Jahren einen Namen für seine Drachen-Gemälde, die riesige Leinwände überspannten.
"Wir gingen vom Prinzip aus, dass wir statt vier Schauen zwei machen. Und in beiden zeigen wir die Pre- und die aktuelle Womens- und Menswearkollektion. So entsteht eine kontinuierliche Bewegung", erklärte Anderson im hektischen Backstage-Getriebe.
Neben den Donuts aus Kunstharz zeigte der Designer auch Playboy-Medaillons in Strick-Optik, mit Minipatronen besetzte Gürtel und neckische Matrosen-auf-Kneipentour-Motive auf Wollpullovern.
Anderson feuert auf allen Kolben und zeigte sowohl intelligente Rugby-Bänder an knöchelhohen Schuhen mit ausgestellten Absätzen, als auch großartige neue Taschenmodelle und – der Clou der Show: Eine Reihe knöchelhoher Sneaker in knallig-bunten Farben. Alles passte zusammen, bis hin zu den Pilz-Brillen auf einem Strickpullover in Form abstrakter Geistergesichter.
Für die Herren der Schöpfung dachte er sich fantastische neue Hosenschnitte aus, mit doppeltem Latz und verjüngten Knöchelabschlüssen in Khaki-Wolle oder feinem Lammleder. Weiter zeigte er bemerkenswerte in Trenchcoats umfunktionierte Marine-Shirts.
"Es geht darum, darauf einzugehen, dass viele Frauen Menswear kaufen und umgekehrt. Das war schon von Anfang an so. Wieso also nicht alles in einen einzigen J W Anderson-Look kanalisieren?", so der gebürtige Ire.
Anderson wurde auch die Ehre von Raf Simons Anwesenheit zuteil. "Das ist meine erste Show in London und ich bin begeistert", freute sich Simons, gekleidet in eine Airforce-Fliegerjacke.
Es sah alles sehr hübsch aus und sehr neu und wahnsinnig optimistisch. Ein Grund mehr für Andersons jüngste Initiative: Der Designer launcht einen Wettbewerb unter dem Titel "Your Picture, Our Future", um einen neuen Fotografen für die kommenden Werbekampagnen zu finden. Die Teilnahme steht allen Interessenten offen. Aus allen Eingaben mit sechs unveröffentlichten Originalbildern wählt eine von Anderson geleitete Jury bis am 12. März 2018 eine/n Gewinner/in aus. Die Teilnahmebedingungen waren auf allen Stühlen ausgelegt: "Der Wettbewerb untersteht britischem Recht, ausschließlicher Gerichtsstand ist England". Ob Michel Barnier das bei den Brexit-Verhandlungen so stehen lässt, sei dahingestellt.
"Ich bin irgendwie in die Mode hineingerutscht, nachdem ich einen Award gewonnen habe. Da fragte ich mich, was heute modern ist und das steht dann an. In der heutigen Modebranche gibt es eine bemerkenswerte Bereinigung, nun ist es an uns, Neues zu finden", erklärte Anderson Backstage.
Unklar blieb jedoch, welche der gezeigten Outfits bereits jetzt erhältlich sein werden und welche erst mit der Herbstkollektion erscheinen. "Das ist Teil der Überraschung. Die Käufer wissen es … aber nicht die Presse!", schmunzelte er.
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